Die Anwendung von Legal Analytics im anwaltlichen Alltag

In diesem Text stellen wir zunächst die Probleme der Anwaltschaft bei der juristischen Recherche dar. Demgegenüber präsentieren wir den Ansatz der sogenannten Legal Analytics. Die iur.crowd ist das erste Startup, das dieses Angebot an den deutschsprachigen Markt gebracht hat. Vor diesem Hintergrund wird der Nutzen der Legal Analytics-Plattform der iur.crowd für den anwaltlichen Alltag geschildert.

1. Die Rechtsrecherche der Vergangenheit

Anwaltlich Recherche ist häufig eines: Zeitaufwendig. Teils verläuft sie sogar fruchtlos. Das trifft insbesondere auf die Suche nach gerichtlichen Entscheidungen zu. Es dauert Minuten über Minuten bis Anwält:innen die passende Entscheidung finden. In manchen Fällen kennen Anwält:innen zwar bereits die Entscheidung nach der sie suchen. Sie wissen eventuell auch, dass diese Entscheidung veröffentlicht wurde. Gegebenenfalls haben sie die Entscheidung sogar schon einmal gelesen. Und dennoch: In bestehenden juristischen Datenbanken bleibt sie unauffindbar. Oder die bereits einmal gefundene gerichtliche Entscheidung wird nicht wiedergefunden. Dass eine Suche nach gerichtlichen Entscheidungen derart verläuft, hat verschiedene Ursachen. Wir möchten vor allem auf vier Aspekte hinweisen.  

Erstens sind es die bestehenden Suchalgorithmen bzw. Suchlogiken, die bestehende juristische Datenbanken verwenden. Diese erfüllen häufig nicht ihre Kernfunktion: Das zu finden, was die Suchenden sehen wollen. Eine Suche nach Gerichtsentscheidungen beginnt deshalb meist bei Google, führt über die Metadatenbank DeJure und endet nach längerer Zeit bei den Bezahlschranken kommerzieller Anbieter:innen.  

Zweitens sind die gesteigerten Ansprüche der Nutzenden zu nennen. So können auch bestehende juristische Datenbanken das gewünschte Ergebnis hervorbringen. Doch nicht mit einem Klick. Viel mehr müssen wir uns durch ein Dickicht an Filterfunktionen vorkämpfen, um die von den Suchalgorithmen hervorgebrachten Suchergebnisse weiter einzugrenzen. Das erfordert zeitliche Kapazitäten, aber auch geistige Anstrengung des Nutzenden. In einer westlichen Konsumgesellschaft, in der wir von immer leichter bedienbaren, effizienteren und knalligeren Online-Dienstleistungen überwältigt werden, ist das ein unterbewusster Realitätsschock. Nutzende wollen sich nicht anstrengen. Sie wollen das, was sie suchen, sofort auf Knopfdruck und in einer ansprechenden Darstellung. Bestehende Datenbanken sehen aber viel mehr so aus, als hätten Serveradministrator:innen sie in den 90‘ entwickelt und bis heute am Leben erhalten.  

Drittens gilt, dass selbst, wenn eine Suche erfolgreich verläuft und Anwält:innen von dem heiß ersehnten Ergebnis nur noch einen Klick entfernt scheinen, werden sie teils immer noch enttäuscht. Denn dann heißt es: Zugriff verweigert. Bestehende Datenbanken zeichnen sich durch ein hohes Maß an Fragmentierung aus. Auch hier ein Gegensatz zu unserem sonstigen Alltagserlebnis. Spotify, Netflix oder Urban Sportsclub, sie alle eröffnen mit einem Abo den Zugang zu ihrem gesamten Inhalt. Ein Klick und die scheinbar grenzlose Welt der Filme, Musik und Sportangebote öffnet sich. Geht es um juristische Inhalte, ist jedoch genau das Gegenteil der Fall. Sie zwingt zur Wahrung der Übersicht über die sich auch noch ändernden Zuschnitte einzelner gebuchter Pakete. Die Möglichkeit, daneben einzelne Dokumente kaufen zu können, gleicht das nicht aus. Vielmehr offenbart sich hier immer wieder die Zugriffsschranke, die nur mit erneuten Zahlungen überwunden werden kann. Nutzerfreundlichkeit: Note 6.  

Das hängt auch mit einem vierten Aspekt eng zusammen. Bestehende juristische Datenbanken sind aufgrund dieser Fragmentierung zu teuer. Natürlich: Dies gilt nicht für kapitalträchtige Kanzleien. Aber diese zeichnen nicht den überwiegenden Kanzleimarkt aus. Es sind vordergründig viele kleine und mittelständische Kanzleien, die sich jedes Mal ganz genau überlegen, ob sie jenes oder dieses Abo abschließen. Oder reicht nicht doch das Formularhandbuch, das alle paar Jahre neu gekauft wird? Soll das Einzeldokument nun doch noch gekauft werden oder nicht?  

Sie sehen sich hierin wieder? Das ist nicht verwunderlich. Denn wir haben uns diese Ergebnisse nicht ausgedacht. Sie basieren auf einer quantitativen Erhebung unter mehr als 1.100 Anwält:innen und deren Konkretisierung in über 130 qualitativen Einzelinterviews.  

Doch warum ändert sich nichts? Alle wissen es: Bei juristischen Datenbank herrscht in Deutschland ein Oligopol. Die bestehenden Datenbanken beherrschen den Markt. Wir können ihnen deshalb gegenwärtig nicht entfliehen. Wo erhaltem wir schließlich sonst die gerichtlichen Entscheidungen, die wir suchen?

2. Der Neuanfang: Legal Analytics  

Doch Oligopole können gebrochen werden. Durch neue Anbieter:innen, die den Markt aufmischen und durch neue Methoden der juristischen Recherche, die die Wissensmonopole durchbrechen. Und genau dafür sind wir, die iur.crowd, angetreten. Wir haben als erstes deutsches Jungunternehmen etwas auf den Markt gebracht, das es bereits in einer Vielzahl von Ländern weltweit gibt: Legal Analytics.

(Abbildung 1: Verbreitung von Legal Analytics weltweit)

Das Wortpaar Legal Analytics beschreibt eine neue Methode der juristischen Recherche. Dabei geht es darum, mit den Mitteln der Statistik juristische Daten auszuwerten und aufzubereiten. Juristische Daten können dabei alles sein, von der Gerichtsentscheidung über den Verwaltungsakt bis hin zur einzelnen, atomaren Vertragsklausel. Die entsprechenden Ergebnisse einer solchen Auswertung helfen u. a. Fragen zu beantworten, wie  

3. Konkret: Legal Analytics im anwaltlichen Alltag  

Diese Ergebnisse können im anwaltlichen Alltag auf zwei Wegen Wirkung entfalten.

Erstens bei der juristischen Recherche. Anwält:innen gehen hierbei je nach Rechtsgebiet und Typ unterschiedlich vor. Im Groben gibt es jedoch zwei grundsätzliche Arten der anwaltlichen Recherche.  

Zum Einen diejenigen, die den zu bearbeitenden Sachverhalten aufbereiten, dann die jeweils einschlägigen Normen erfassen, subsumieren und hierbei gegebenenfalls auf Kommentare oder Lehrbücher sowie hieraus wiederrum auf gerichtliche Entscheidungen zugreifen. Letzteres wird gegebenenfalls durch das eigene Bauchgefühl oder den Austausch mit Kolleg:innen ergänzt. 

Zum Anderen diejenigen, die den Sachverhalt aufbereiten und dann unmittelbar nach vergleichbaren gerichtlichen Entscheidungen suchen, die sie ihrer rechtlichen Bewertung zugrunde legen können. Auch dieses kann wiederum durch das eigene Bauchgefühl und den Austausch mit Kolleg:innen ergänzt werden. 

Auf dieser Grundlage werden sodann Schriftsätze oder Anschreiben an Mandant:innen oder Dritte, wie etwa das Gericht oder Gegner:innen verfasst.  

Und an all diesen Schnittstellen können Legal Analytics ansetzen, in dem aus Einzelinformationen ein Gesamtüberblick entsteht. Welche Rechtsnormen wurden von Gerichten in vergleichbaren Fällen angewendet? Wie wurden die Normen ausgelegt? Welche Argumente sprechen dafür und welche dagegen? Wie war das Ergebnis des Falles? Variiert dies zwischen verschiedenen Instanzen Gerichten oder Kammern? Auf all diese Fragen können Legal Analytics eine Antwort geben. Die Antworten sind präziser als das, was wir zuvor aus einzelnen Entscheidungen ableiten konnte. Aus denen, die mühselig händisch in Kommentaren und Lehrbüchern akkumuliert wurden oder die sich in der Erfahrung von Kolleg:innen oder dem eigenen Bauchgefühl niederschlagen.  

Zweitens können Legal Analytics aber auch das Beratungsangebot der Anwält*innen gegenüber ihren Mandant:innen erweitern. Denn Anwält*innen können nun präziser auf die Frage etwa danach antworten, wie lange der Fall dauere und was es kosten werde. Darüber hinaus erweitert sich auch die Möglichkeit der Anwält:innen zum Eigenmarketing. Es ist nun möglich die eigene Kompetenz über die Beteiligung an Rechtsstreitigkeiten nachzuweisen und auch graphisch auf der eigenen Webseite einzubetten. Wer das nicht nach außen kommunizieren möchte, kann es immer noch im internen zur eigenen Reflektion einsetzen. 

4. Was dazu bisher gefehlt hat  

Wir als iur.crowd arbeiten an der Verwirklichung dieser Vision der neuen juristischen Recherche mit Hilfe von Legal Analytics. Doch wie gehen wir dabei vor? Denn, wir wissen es alle: In Deutschland werden weniger als 1 % der Gerichtsentscheidungen der unteren Instanzen veröffentlicht.  

(Abbldung 2: Veröffentlichungsquote von Gerichtsentscheidungen) 

Das hat ganz unterschiedliche Gründe. Neben einem historischen Gepräge geht es dabei vor allem um den Aufwand, der mit der notwendigen Pseudonymisierung der gerichtlichen Entscheidungen einhergeht. Aus Erhebungen in der Schweiz wissen wir, dass die händische Aufbereitung von Gerichtsentscheidungen vor diesem Hintergrund je nach Länge der Entscheidung 30 bis 60 Minuten in Anspruch nimmt.  

Doch die Gerichtsentscheidungen sind die notwendige Datengrundlage, die wir für die Anwendung von Legal Analytics brauchen. Es gibt Hoffnung, dass wir diese Datengrundlage auch herstellen können. Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag verkündet, dass künftig alle Gerichtsentscheidungen maschinenlesbar und anonymisiert veröffentlicht werden. Natürlich kann die Bundesregierung unmittelbar nur auf die Bundesgerichte einwirken, nicht aber auf die Landesjustiz. Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine entsprechende Kooperation zwischen dem Bund und den Ländern zustandekommen wird. Auch mit Blick auf die notwendige Pseudonymisierung der Gerichtsentscheidungen sind wir technisch weit genug, um den damit einhergehenden Aufwand wesentlich zu reduzieren. 

Allerdings: Andere europäische Länder haben sich dem Ziel, der umfassenden Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidungen schon länger verschrieben. So hat etwa Frankreich bereits im Jahr 2016 entschieden, stufenweise alle gerichtlichen Entscheidungen zu veröffentlichen. Heute im Jahr 2023 ist Frankreich diesem Ziel zwar wesentlich näher als Deutschland, hat es aber immer noch nicht erreicht. Und Frankreich ist ein Zentralstaat. Das heißt, auch in Deutschland werden wir uns noch ein wenig gedulden müssen.

5. Legal Analytics schon heute: Die Plattform der iur.crowd

Wir haben nicht vor auf die Justiz zu warten. Auch deshalb haben wir die iur.crowd gegründet. Wir werden die Veröffentlichungsquote der unteren Instanzen von 1 % auf über 90 % heben. Dabei setzen wir auf die Anwaltschaft als Organe der Rechtspflege. Denn neben der Justiz ist es diese Gruppe, die über die meisten Gerichtsentscheidungen verfügt. Wenn die Anwaltschaft diesen Datenschatz in einem kollektiven Kraftakt hebt, können wir die Justiz auf ihrem Weg zu einer vollständigen Veröffentlichung aller Gerichtsentscheidungen maßgeblich unterstützen. Damit schaffen wir die Grundlage für Legal Analytics. Um die Anwaltschaft beim Teilen der Gerichtsentscheidungen zu unterstützen, haben wir vier Anreize geschaffen.  

Erstens entwickeln wir mit Kooperationspartner:innen erste Analysemodelle, die wir sodann Anwält*innen anbieten. Dabei erhalten die Anwält*innen einen vergünstigen Zugang um bis zu 50 %, wenn sie eine hinreichende Anzahl von Gerichtsentscheidungen mit uns teilen.  

Zweitens können Anwält:innen, die ihre Gerichtsentscheidungen mit der iur.crowd teilen, ihre eigenen Daten mit einem Rabatt von 100 % auswerten lassen und auf diese Weise interne Reportings erhalten.  

Drittens bieten wir Unterstützung bei der Digitalisierung und der Pseudonymisierung der Gerichtsentscheidungen.  

Und viertens erlangen Anwält:innen als Organe der Rechtspflege externes Renomeé, in dem sie als Unterstützer:innen einer gesteigerten Gerichtsöffentlichkeit Teil der iur.crowd werden.  

Von diesem Konzept konnten wir bereits 450 Kanzleien überzeugen. Diese Kanzleien teilen regelmäßig ihre Gerichtsentscheidungen, die neben öffentlich verfügbaren Datensätzen und aus der Justiz gewonnenen Entscheidungen in die iur.crowd eingespeist werden. Mit Hilfe von unseren Partnerinnen der NAIX GmbH und der Sinc GmbH pseudonymisieren wir diese Gerichtsentscheidungen, bereiten sie auf und erschaffen am Ende als neue Dienstleistung Legal Analytics.

450 Kanzleien im ganzen Bundesgebiet haben gegenwärtig die Möglichkeit, ihre Gerichtsentscheidungen in die iur.crowd zu laden sowie (teil-)automatisiert zu pseudonymisieren. Anschließend können sie die Entscheidungen von uns auswerten lassen, um so in den Genuss von Legal Analytics zu kommen. Eine konkrete Ausprägung dieser Legal Analytics ist unsere Erfolgsanalyse. Dabei untersuchen wir den Tenor der Entscheidung daraufhin, ob Kläger:in oder Beklagte:r (teil-)obsiegt haben oder (teil-)unterlegen sind und mappen das Ergebnis differenziert anhand der jeweiligen Quote auf einer Deutschlandkarte. 

(Abbildung 3: Die Erfolgsanalyse der iur.crowd) 

6. Woran wir gegenwärtig arbeiten  

Derzeit arbeiten wir an der Finalisierung unseres Legal Analytics-Produktes im Bereich des sog. argument minings. Im Kern geht es dabei um die Extraktion von Argumenten aus Texten. Wir ermöglichen es Anwält:innen damit auf einen Blick die relevanten Argumente zu einem bestimmten Thema, das mit Stichworten oder Sätzen umschrieben wird, zu finden. Gleichzeitig gibt es auch die Möglichkeit die relevanten Argumente aus der jeweiligen Gerichtsentscheidung, als eine Art executive summary, zu erhalten.  

(Abbildung 4: Die Argumentsuche der iur.crowd) 
(Abbildung 5: iur.crowd – Wesentliche Argumente einer Entscheidung)

7. Was wir künftig umsetzen werden  

Der nächte Schritt ist die Einbindung der Argumentsuche in den jeweiligen Schriftsatz oder das Anschreiben der Anwält:innen. Dies kann etwa über ein Word-Plugin erfolgen. Damit werden die Anwält:innen entweder bereits beim Schreiben auf relevante Argumente hingewiesen. Oder schon im Schreiben integrierte Argumente werden vor dem Hintergrund der Rechtsprechung automatisiert auf ihren Gehalt hin überprüft. 

Langfristig werden wir unsere Analysen aber nicht nur auf Gerichtsentscheidungen durchführen. Als Verfechter der Open-Access-Bewegung ist es unser Ziel, langfristig ohnehin alle Gerichtsentscheidungen kostenlos, pseudonymisiert und maschinenlesbar allen zur Verfügung zu stellen. Mit der iur.crowd und der Kraft der Organe der Rechtspflege werden wir die Justiz auf diesem Weg unterstützen. Deshalb streben wir den Aufbau weiterer Datenbanken etwa im Bereich der Verwaltungsakte oder der Vertragsklauseln an.  

Auch werden wir Legal Analytics in die juristische Ausbildung tragen. Als Grundlage nutzen wir dafür unsere Lernplattform www.juriverse.com, auf der Studierende Fälle lösen können, um sich auf die juristische Klausurbearbeitung vorzubereiten. In Kürze werden wir dieses Angebot um umfassende Karteikarten zur Vorbereitung auf die erste und zweite juristische Prüfung ergänzen. In diesem Zuge werden wir die Plattform also um die Vorbereitung auf die zweite juristische Prüfung erweitern. Kombiniert mit der Kraft der Legal Analytics heben wir die juristische Ausbildung damit auf die nächste Stufe.  

8. Was bleibt? 

In diesem Text haben wir auf die gegenwärtigen Probleme in der juristischen Recherche hingewiesen. Dies meint vor allem den Zeitaufwand und die oft frustrierenden Ergebnisse, die gegenwärtige juristische Datenbanken zu Tage fördern. Demgegenüber haben wir unseren Ansatz der Legal Analytics, also der statistischen Auswertung juristischer Daten, präsentiert. Damit beantworten wir Fragen danach, welche Argumente in welchem Kontext relevant sind oder wie oft welche Gerichte in welchen Fällen mit welchem Ausgang geurteilt haben. Die notwendige Datengrundlage schaffen wir durch die Macht der Organe der Rechtspflege in einem Netzwerk der Anwaltschaft. 450 Kanzleien sind bereits aktiv in diesem Netzwerk. Auch Sie können sich über www.iurcrowd.de zum Test der iur.crowd-Legal-Analytics-Plattform anmelden.  

More is more and less is bore?

Zeitersparnis durch Legal Analytics

Oft heißt es: Zu viele Informationen können Intransparenz bringen und zu Verwirrung führen und die Organisation der vielen Daten wäre den Nutzen nicht wert. Gezeichnet wird hier das Bild eines dichten Datendschungels, so dass kein Durchkommen und damit kein Durchblick mehr möglich ist. Juristische Datenauswertungen bergen aber enormes Potential – vor allem in Bezug auf Zeitersparnis. Welche Gewinne erzielt werden können, wo die Vorteile liegen und was es dafür bedarf, soll in diesem Artikel erläutert werden.

1. Besserer Überblick durch Informationssysteme

Werden einem Unternehmen oder der Justiz viele juristische Daten zur Verfügung gestellt, heißt das selbstverständlich zunächst einmal Mehrarbeit: Die Daten müssen in maschinenlesbarer Form umgewandelt werden und passende Programme für die Aufbereitung und Verarbeitung müssen gefunden werden. Sind diese Schritte getan, geht es an die eigentliche Arbeit, die technischen Systeme müssen gewinnbringend auf die Rohdaten angewendet werden. Hierbei existiert enormes Potential für die Rechtsbranche, da viele Schritte langfristig vereinfacht werden können, womit eine enorme Effizienzsteigerung einhergeht – alles durch Legal Analytics.

2. Was sind Legal Analytics?

Legal Analytics sind datengetriebene Analysewerkzeuge und Technologien, die speziell für die Anwendung in der Rechtsbranche entwickelt wurden. Sie nutzen fortgeschrittene Datenanalyse- und maschinelle Lernverfahren, um rechtliche Informationen, Fallhistorien, Gerichtsurteile, Gesetze und andere juristische Dokumente zu analysieren und wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Im Wesentlichen ermöglichen Legal Analytics eine tiefere und präzisere Untersuchung von juristischen Informationen, um Rechtsanwält:innen, Jurist:innen und Rechtsabteilungen dabei zu helfen, bessere Entscheidungen zu treffen und ihre Arbeit effizienter zu gestalten.

3. Beispiele für Anwendungen von Legal Analytics

Sinnvoll ist es hier beispielsweise die Automatisierung von Routineaufgaben oder Datenanalyse und -recherche, Dokumentenverwaltung, Terminverfolgung oder die Fristenüberwachung bis hin zur Vorkonfiguration von Rechtsdokumenten.

a) Anwaltschaft

Für die Anwaltschaft bewähren sich bereits simple Systeme, wie interne digitale Strukturierungen der Akten, so dass geordnet nach Prozessbeteiligten und Mandant:innen gesucht werden und Argumente extrahiert werden können. Dadurch sind diese im Prozess schnell digital abrufbar und ersparen langwieriges durchsuchen haptischer Akten. Obwohl es im Vorfeld notwendig ist, die spezifischen Informationen zu markieren und zu ordnen, ist das ein geringer Aufwand im Vergleich zu der langfristigen Beschleunigung im Umgang mit den Akten. Legal Analytics gehen aber noch weiter: ist einmal ein etablierter und ausreichender Fundus strukturierter juristischer Daten erstellt, lässt sich dieser sehr effektiv zur Unterstützung von Anwält:innen einsetzen. Hier existieren Systeme, die durch trainierte KI bereits Vorschläge zur Beantwortung von Rechtsfragen erstellen können, welche im Anschluss nur noch von Anwält:innen überprüft werden müssen. Legal Analytics können somit bei der automatisierten Dokumentenprüfung und Vertragsgestaltung eingesetzt werden. Dies kann die Zeit reduzieren, die normalerweise für die manuelle Überprüfung von Verträgen und anderen Dokumenten benötigt wird.

Auch Informationen zu den einzelnen Richter:innen oder Spruchkörpern können die geführten Prozesse verbessern: Mit Kenntnis über Eigenarten und Häufigkeiten bestimmter Richtenden können gezieltere anwaltliche Strategien gewählt und durchgezogen werden. Strukturierte Informationen lassen sich mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz, bzw. mit maschinellen Lernverfahren somit handhabbar machen.

b) Justiz

Aber nicht nur die Anwaltschaft, auch die Justiz profitiert von Legal Analytics. Schriftsätze von bis zu 200 Seiten sind keine Seltenheit, und viele dieser Verfahren weisen ähnliche Merkmale auf und können in verschiedene Kategorien eingeteilt werden. Die Zuordnung der Verfahren zu diesen Kategorien erfordert jedoch erheblichen Zeitaufwand seitens der Richter:innen.

In der Praxis werden Konfigurationsprogramme wie „FRAUKE“ (am Amtsgericht Frankfurt am Main) und „OLGA“ (am OLG Stuttgart) an Gerichten bereits genutzt. Ähnliche Anwendungen existieren am LG Ingolstadt und am LG Kiel. Diese Systeme konfigurieren Textbausteine von Urteilen, so dass diese effizienter erstellt werden können und nur noch von Richter:innen überprüft und unterschrieben werden müssen. Entscheidungsvorschläge können dabei nur erstellt werden, weil im Vorfeld Urteile aus der Vergangenheit maschinell ausgewertet und analysiert wurden.

"OLGA" beispielsweise extrahiert aus den digitalen Akten lediglich die Informationen, die zur Zuordnung erforderlich sind und ist in der Lage, Tenor, Tatbestand, Anträge und andere relevante Informationen zu erkennen, einen Text zu durchsuchen und diese Informationen zu gewichten. Anschließend analysiert die Anwendung das erstinstanzliche Urteil, die Berufungsbegründung und die Berufungserwiderung, um sie nach zuvor festgelegten Parametern, wie beispielsweise Fahrzeug- und Motortyp, Kilometerstand oder Kaufpreis, zu durchsuchen. Basierend auf diesen Parametern ordnet "OLGA" den Sachverhalt den Kategorien zu, die die Rechtsprechung des OLG Stuttgart widerspiegeln. Auf Grundlage dieser Parameter können die Richter:innen gezielt nach ähnlichen Fällen suchen, alle relevanten Fälle anzeigen lassen und sie effizienter bearbeiten und terminieren. Zusätzlich kann "OLGA" auch dabei unterstützen, bereits vorhandene Musterbeschlüsse zu individualisieren, indem es die erkannten Parameter an den entsprechenden Stellen einfügt und den Beschluss an den spezifischen Fall und Kläger anpasst. So kann mit nur wenigen Klicks ein fertiges Beschlussdokument erstellt werden.

Dadurch dass Legal Analytics-Tools große Mengen von juristischen Dokumenten, Gerichtsentscheidungen, Gesetzestexten und anderen juristischen Quellen durchsuchen und analysieren können, ermöglichen sie Anwält:innen und Jurist:innen, schneller auf relevante Informationen zuzugreifen, ohne stundenlange manuelle Recherchen durchführen zu müssen.

4. Fazit

Zwar müssen auch die heutigen Möglichkeiten zumeist immer noch individuell von Jurist:innen überprüft werden, allerdings stellt es eine enorme Zeitersparnis dar, wenn Textbausteine bereits vorformuliert werden oder Datenanalysen wichtige Einblicke bringen können, die vorher mangels der Technik nicht möglich waren. Zudem muss das Rad nicht immer neu erfunden werden: Etablierte und für gut bewährte Systeme werden übertragen werden, so dass die grundlegende Arbeit der Datenaufbereitung und Programmierung nicht bei den einzelnen (kleinen) Kanzleien hängen bleiben wird. Genauso, wie bereits jetzt jede und jeder OpenAIs Chat-GPT3 für diverse Textgenerierung benutzen kann, werden sich auch andere Systeme durchsetzen und Vorteile in Bezug auf Effizienz und hoffentlich Qualität bieten.

Zusammenfassend kann also konstatiert werden, dass um aus dem Dickicht gewinnbringende Erkenntnisse zu erlangen, bedarf es technisches Know-How und funktionierende Legal Analytics, die systematisch die Daten aufbereiten. Dann werden Legal Analytics enorme Zeitersparnis innerhalb der juristischen Arbeit – sowohl in Kanzleien als auch innerhalb der Justiz hervorbringen. Dies ermöglicht es Anwält:innen, sich mehr auf strategischere und komplexere Aufgaben zu konzentrieren und entlastet die Justiz.

Prädiktiv vs. prognostisch – warum wir von Rechtsprechungsprognose und nicht von "Vorhersage" sprechen

Ist es wirklich möglich, Rechtsprechung vorherzusagen? Oder ist der Begriff der Prognose gerade in Bezug auf Rechtsprechungsauswertungen angemessener? Der Unterschied zwischen den Begriffen "Prognose" und "Vorhersage" mag auf den ersten Blick gering erscheinen, hat jedoch in bestimmten Kontexten, insbesondere im Bereich der Rechtsprechungsauswertungen, wichtige Bedeutungsnuancen. Warum eine Differenzierung von Bedeutung ist und welche Grundsatzfragen sich daran entflammen, soll im folgenden Beitrag diskutiert werden.

1. Formen der Rechtsprechungsauswertungen

Rechtsprechungsauswertung kann verschiedene Charaktere aufweisen: beschreibend, diagnostisch oder prädiktiv, bzw. prognostisch. Bei der beschreibenden Analyse stützen sich die Aussagen jeweils auf deskriptive Werte: Was passiert oder wie wurde geurteilt? Wie lange war die durchschnittliche Verfahrensdauer? Wohingegen bei der diagnostischen Analyse bereits der Schwerpunkt auf die Defizite in der Rechtsprechungspraxis gelegt werden. Hier liegt der Schwerpunkt in bestimmten Problembereichen, wie beispielsweise der Feststellung, dass Prozesse nicht in der Art und Weise ablaufen, wie sie normativ vorgesehen waren. Die letzte Kategorie stützt sich auf die prädiktive, bzw. prognostische Form der Datenauswertung. Sinn und Zweck dieser Analyse ist es, die vorhandene analysierte Rechtsprechung zu verwenden, um damit gewinnbringende Aussagen bezüglich des kommenden Verfahrens zu treffen.

2. Der "Richter-Roboter"

Wenn es um zukünftige Rechtsprechung geht, wird schnell an automatisierte Entscheidungsfindung in Form eines "Richter-Roboters" gedacht. Ein "Richter-Roboter" bezieht sich auf eine hypothetische oder potenzielle technologische Entwicklung, bei der künstliche Intelligenz (KI) oder Roboter eingesetzt werden könnten, um einige oder alle Funktionen eines menschlichen Richters im Rechtssystem zu übernehmen. Der allwissende "Richter-Roboter" scheint sich ins kollektive Gedächtnis gebrannt zu haben: Viel Aufsehen wurde in der Vergangenheit mit diesem Zukunftsszenario erregt. Eine Künstliche Intelligenz, welche für einen menschlichen Richter das Urteil fällt. Dieser – so die Idee – würde wissen, wie die "richtige" Rechtsantwort lautet, also Rechtsprechung vorhersagen und Menschen vollends durch Maschinen ersetzt werden. Bei der automatisierten Entscheidungsfindung könnten KI-Systeme verwendet werden, um rechtliche Argumente zu analysieren und automatisch Urteile für bestimmte Fälle zu generieren. Diese Systeme würden auf Algorithmen basieren, die aus historischen Gerichtsentscheidungen lernen und Trends in der Rechtsprechung erkennen.

3. Problematischer Begriff der "Vorhersage"

Der Begriff "Vorhersage", der im Bild des allwissenden Richter-Roboters oftmals mitschwingt, kann aber auch missverstanden werden, denn er impliziert, dass das Ergebnis absolut sicher sei und in jedem Fall eintreten wird. Dies kann zu Fehlinterpretationen führen, wenn es tatsächlich eine gewisse Unsicherheit gibt. Die Begrifflichkeit der Vorhersage impliziert, dass KI in der Lage wäre umfassenden Einblick in die Rechtssystematik erlangen und selbstständig ein Urteil fällen zu können. Das ist irreführend und führt im schlimmsten Fall zu Ängsten, welche das demokratische Fundament erschüttern können.

4. Terminologie "prädiktiv" vs. "prognostisch"

Bei dem allwissenden Richter-Roboter, der die Rechtsprechung "vorhersagen" kann wird es aber bei einem Zukunftsszenario bleiben. Denn die technischen Systeme sind derzeit nicht in der Lage Rechtsprechung vorherzusagen. Daher sollte in Bezug auf Rechtsprechungsanalysen, die auf zukünftige Rechtsprechung abzielen eher von Prognosen gesprochen werden. Mit dem Begriff prädiktiv werden nämlich gewisse Sicherheiten in Bezug auf Rechtsprechungsvorhersage suggeriert, welche schwerlich zu realisieren sind und falsche Erwartungen wecken können. Der Begriff "Vorhersage" impliziert oft eine gewisse Sicherheit und Genauigkeit, die in der Rechtsprechung nicht immer gegeben ist. Daher sollte der Begriff abgelehnt werden. Die Methoden, welche bei Rechtsprechungsauswertungen zur Anwendung kommen, beruhen auf statistischen Methoden zur Analyse der vergangenen Rechtsprechung. Dabei wird juristische Argumentation nicht reproduziert, wie es in Science-Fiction-Vorstellungen von „Richter-Robotern“ oftmals skizziert wird; Rechtsprechungsanalysen beschreiben hingehen die justizielle Wirklichkeiten anhand der ihr vorliegenden Urteile. Denn es geht eben nicht darum Gerichtsentscheidungen vorherzusagen, sondern darum, ähnliche Entscheidungen zu sammeln, mit statistischen Methoden auszuwerten um damit in der Lage zu sein, das Risiko des jeweiligen Falles zu quantifizieren. Der Begriff "Vorhersage" kann manchmal den Eindruck erwecken, dass das Ergebnis bereits feststeht oder subjektiver ist und ist daher zu vermeiden.

5. Fazit

Der Unterschied zwischen den Begriffen "Prognose" und "Vorhersage" mag subtil erscheinen, hat jedoch in bestimmten Kontexten, insbesondere in Bezug auf Rechtsprechungsauswertungen, eine gewisse Bedeutung. Es geht demnach um Wahrscheinlichkeiten, um eine Prognose, nicht darum die Rechtsprechung vorherzusagen. Schwerpunkt der Rechtsprechungsanalyse ist es, die vorhandenen Daten auszuwerten. Daher gilt es, den Begriff der "Prognose" in Bezug auf Rechtsprechungsauswertungen vorzuziehen, auch um Übersimplifizierung zu vermeiden. Der Begriff "Prognose" betont eher die Notwendigkeit, auf fundierten Analysen und rechtlichen Prinzipien basierende Einschätzungen vorzunehmen, anstatt einfach nur eine Meinung oder Vermutung auszudrücken. Insgesamt trägt die Verwendung des Begriffs "Prognose" in Bezug auf Rechtsprechungsauswertungen dazu bei, die Komplexität und den informierten Charakter der Analyse zu betonen, während der Begriff "Vorhersage" eher eine mechanische und vereinfachte Sichtweise auf die Zukunft suggerieren kann.

Wie Rechtsprechungsauswertung demokratiefördernd wirken kann

Ein niedriger sozio-ökonomischer Status (SES; engl. ‚socio-economic status‘)[1] steht in engem Zusammenhang mit einem geringen Institutionsvertrauen und Misstrauen gegenüber dem Staat: 27 Prozent der Befragten einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) aus dem Jahr 2017 vertrauen dabei insbesondere den Gerichten nicht.[2] Damit sind sie nicht alleine, selbst von staatlicher Seite besteht Misstrauen gegenüber der Dritten Gewalt, zumindest im europäischen Nachbarland: Im Jahr 2019 wurde in Frankreich die personifizierte statistische Auswertung von Urteilen unter Strafe gestellt: bis zu 300.000 Euro Geldstrafe oder Freiheitsentzug[3] die französische Justiz scheint Transparenz zu fürchten. Dass derartige statistische Analysen auch in der Bundesrepublik Deutschland Abweichungen von Durchschnittswerten offenlegen und die Ergebnisse für Unmut sorgen könnten, zeigt instruktiv der Fall Michael Reinke, Vorsitzender des Landgerichts Berlin. Hier urteilt ein Berliner Richter konsequent „in eklatantem Widerspruch zu den vom BGH aufgestellten Anforderungen“ in Mietrechtsfällen.

Juristisch schwer nachvollziehbare Urteile werden täglich gesprochen. Der Bevölkerung bleibt nur keine Möglichkeit, sich einen umfassenden Überblick über das gesprochene Recht zu verschaffen, denn: Es mangelt an der Veröffentlichung von Urteilen. Weniger als ein Prozent aller Urteile werden in Deutschland veröffentlicht. Gleichzeitig kam beim Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben „Erforschung der Ursachen des Rückgangs der Eingangszahlen bei den Zivilgerichten“ im April 2023 heraus, dass die Anzahl an Klagen vor Gerichten signifikant zurückgeht – die vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) in Auftrag gegebene Studie nannte als einen Grund, die Schwierigkeiten und damit einhergehenden Unsicherheiten bei der Abschätzung der Erfolgsaussichten.[4]

1. Justizielles Datenteilen und -auswerten als Vorteile für die Gesellschaft

Hier könnte das strukturierte Datenteilen in Bezug auf Rechtsprechung ein geeignetes Mittel darstellen, den genannten demokratiegefährdenden Effekten entgegenzuwirken. Im Bereich der Dritten Gewalt sollte Datenteilen bewusst für das Gemeinwohlinteresse gedacht, konzipiert und zur Verfügung gestellt werden, um gewinnbringend für den Rechtsstaat und die Bevölkerung wirken zu können. Denn nicht nur schafft eine transparente Justiz und Verwaltung ein Kontrollelement seitens der Bevölkerung, was wiederum demokratiestärkend wirken kann, auch dient das Datenteilen dem Empowerment der Bürger:innen vielleicht selbst den Rechtsweg zu bestreiten.

a) Kontrollelement

In einem funktionierenden Rechtsstaat sollte Bürger:innen die Möglichkeit gegeben werden, sich ohne Hindernisse über die Judikative informieren zu können. Dies ist auch im Öffentlichkeitsgrundsatz nach Art. 6 EMRK festgelegt. Befürchtungen über Arbeitsüberlastung der Richter:innen, die ihre Urteile veröffentlichen müssen oder die Angst, dass qualitätsarme Urteilsbegründungen zu Tage treten können nicht als überzeugende Argumente gegen umfassende Rechtsprechungsanalysen dienen: Denn eine „Geheimjustiz“ kann nicht das Ziel sein. Eine funktionierende Justiz muss es ertragen, dass Bürger:innen sich ein Bild über das gesprochene Recht machen können, um die Ergebnisse von Gerichtsprozessen auch kritisch hinterfragen zu können. Hier besteht enormes Potential das Kontrollelement innerhalb des Demokratieprinzips aktiv auszuleben.

b) Empowerment

Zugleich können umfassende Auswertungen von Rechtsprechung Bürger:innen dazu ermutigen, ihre Rechte vor Gericht geltend zu machen. Hier könnten beispielsweise Verfahrensdauern und Kostenrisiken offengelegt werden. Vor allem vor dem Hintergrund, dass laut der vom BMJ in Auftrag gegebene Studie im April 2023 deutlich wurde, dass Unsicherheiten in Bezug auf den Prozess dazu beitragen, dass Bürger:innen von einem Rechtsstreit absehen. Zusätzliches Wissen über Gerichtsprozesse kann vorteilhaft wirken, denn demokratische Willensbildung ist wissens- und informationsbasiert. Ohne Wissen und Information, sind Bürger:innen nicht in der Lage sich ein selbst ein Bild von den Gegebenheiten zu machen. Ohne Wissen und Informationen, sind Bürger:innen gezwungen, sich auf die Selektion anderer zu verlassen. Das muss nicht zwingend schlecht sein, handelt es sich um eine repräsentative oder qualitativ sinnvolle Auswahl an Informationen. Es widerspricht in Bezug auf Gerichtsentscheidungen aber dem Prinzip des Öffentlichkeitsgrundsatzes. Gerichtsverhandlungen sind öffentlich abzuhalten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen ist es verfassungsrechtlich gewollt, dass Bürger:innen Gerichtsverfahren beiwohnen und als Kontrollelement die Justiz überwachen. Die Informationsgesellschaft und Digitalisierung hat neue Möglichkeiten hervorgebracht wie extrem das Öffentlichkeitsprinzip von einer einzelnen Person gelebt werden kann. Während es früher eine Art „natürliche Begrenzung“ gab – Bürger:innen konnten nur eine Gerichtsentscheidung vor Ort in persona verfolgen – bestünde jetzt die Möglichkeit Ergebnisse dieser Verhandlungen komprimiert und auf einmal zu sichten. Das ist als positiv im Sinne des Rechtsstaats zu bewerten.

2. Bedingungen

Bedienung für einen solchen positiven Wandel sind zum einen Open-Access-Publikationen aller- und nicht nur als „veröffentlichungswürdig“[5] empfundenen – Urteile seitens der Gerichte, sowie die technischen Möglichkeiten statistische Auswertung von Urteilen und Verwaltungsentscheidungen vorzunehmen. Dies bedacht, birgt der Zugang zu diesen Informationen aber enormes Potential: Nicht nur können Abweichungen vom Durchschnitt offengelegt und genauer Prüfung unterzogen werden, auch können Verfahrensausgänge und Verfahrensdauern mehr Transparenz und Möglichkeiten für kritische Betrachtungen und im besten Fall Verbesserungen des Status quo bringen, indem Forschung, Praxis und Privatpersonen davon profitieren. Dies allerdings nur, wenn der Zugang zu den Analysen niedrigschwellig erfolgt und alle Bürger:innen Zugriff auf Rechtsprechungsauswertungen erhalten. Wenn alle Einblick in die justiziellen Daten erhalten, dass sind die Effekte eines offenen Datenaustauschs innerhalb der Justiz und Verwaltung: Mehr Innovationen und Erkenntnisse seitens der Forschung, konstruktiveres und gezielteres Handeln seitens der rechtlichen Praxis und Teilhabeeffekte, sowie Bestärkung und Kontrolle seitens der Bevölkerung.

3. Fazit

Legal-Tech-Anwendungen beschränken sich oftmals auf die Optimierung interner (Unternehmens-)prozesse. Dabei ist der Meta-Blick auf eine offene Datenkultur und statistische Auswertungen – besonders im Bereich der Justiz – lohnenswert, da durch diese Perspektive neue gesamtgesellschaftliche Effekte hervorgerufen werden könnten. Rechtsprechungsanalysen, die für die Bevölkerung niedrigschwellig zugänglich sind, haben enormes Potential demokratisierend zu wirken, indem sie mehr Transparenz bieten, welche zum einen Bürger:innen dazu ermutigen können, ihre Rechte geltend zu machen und zum anderen als wichtiges Kontrollelement innerhalb des Demokratieprinzips wirken können. Vor dem Hintergrund der wachsenden Möglichkeiten der Informationsgesellschaft sollte dieses Potential nicht verkannt werden.


[1] Der SES wird i.d.R. über den Beruf, das Einkommen und das Bildungsniveau definiert, siehe Ditton/Maaz, in: Reinders/Ditton/Gräsel/Gniewosz (Hrsg.), Empirische Bildungsforschung 2011, S. 193 Zur Bestimmung dienen Klassen- bzw. Schichtmodelle, siehe S. 196.

[2] Hilmer u. a., Working Paper Forschungsförderung. Einstellung und soziale Lebenslage., S. 20.

[3] Art. 33 des französischen Justizreformgesetzes Nr. 2019-222.

[4] Meller-Hannich/Höland, Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben „Erforschung der Ursachen des Rückgangs der Eingangszahlen bei den Zivilgerichten“, S. 106.

[5] Denn alle Bundesgerichte sind sich einig: „Zu veröffentlichen sind alle Entscheidungen, an deren Veröffentlichung die öffentlichkeit[sic] ein Interesse hat oder haben kann.“ Voraussetzung für den Rechtsanspruch auf Zugang zu Entscheidungen ist demnach die Veröffentlichungswürdig jener Entscheidungen, siehe BVerwG, v. 26. Februar 1997, 6 C 3.96, 1997.


Von Daten zu Fakten: Die Zukunft des Rechts durch Legal Argument Mining

Sobald der Zugang zu Informationen erst einmal erschlossen ist, sind auch Rechtsanwält:innen zunehmend mit einem unüberschaubaren Datenmeer konfrontiert. Die mühsame Aufgabe, relevante Argumente und präzise rechtliche Grundlagen in umfangreichen Dokumenten zu identifizieren, verschlingt dabei wertvolle Zeit und Ressourcen. Hier setzt Legal Argument Mining an. Indem es leistungsstarke maschinelle Lernverfahren nutzt, extrahiert Argument Mining automatisch rechtlich relevante Argumente aus Dokumenten. Auf diese Weise wird die Recherche und Analyse von Fallinformationen erheblich erleichtert. Welche Bedeutung hat Argument Mining für Rechtsanwält:innen genau und wie verbessert diese fortschrittliche Technologie die Qualität der juristischen Arbeit?

Was ist Legal Argument Mining

Definition und Erklärung

Legal Argument Mining ist ein Forschungsbereich innerhalb der natürlichen Sprachverarbeitung (Natural Language Processing, auch NLP). Es konzentriert sich auf die automatische Extraktion, Identifizierung und Analyse von rechtlichen Argumenten aus umfangreichen juristischen Dokumenten. Diese Dokumente können Gesetzestexte, Gerichtsurteile, Rechtsprechung, Verträge, Gutachten und andere rechtliche Schriftstücke umfassen. Die Technologie basiert auf künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen. Sie ermöglichen es, die reichhaltigen und komplexen Informationen in der Sprache des Rechts zu verstehen und zu verarbeiten.

Mit Legal Argument Mining können Jurist:innen – insbesondere Anwält:innen – wesentliche Vorteile für sich und ihre Arbeit erzielen. Durch eine schnellere und effizientere Analyse großer Datenmengen von rechtlichen Dokumenten, sparen sich Anwält:innen erhebliche Zeit bei der Fallbearbeitung und -recherche. Gleichzeitig verbessert Legal Argument Mining die Qualität der Analyse, indem sie wichtige Argumente und präzise rechtliche Grundlagen hervorhebt, die in der Fülle von Informationen oft übersehen werden.

Abgrenzung von Legal Argument Mining zu ähnlichen Begriffen

Zuweilen werden die Begriffe Legal Argument Mining, Legal Text Mining und Legal Analytics synonym verwendet. Das ist jedoch nicht korrekt, da durchaus einige Unterschiede zwischen ihnen bestehen:

Legal Text Mining

Legal Text Mining ist ein breiterer Begriff, der verschiedene Technologien und Methoden umfasst, um relevante Informationen und Wissen aus juristischen Texten zu extrahieren. Dies schließt nicht nur rechtliche Argumente, sondern auch Entitäten, Beziehungen, Muster und andere strukturierte oder unstrukturierte Informationen ein. Diese Technologie kann zur Verbesserung der Informationsgewinnung, der Textklassifikation oder der Rechtsdatenanalyse eingesetzt werden.

Legal Analytics

Dieser Begriff bezieht sich auf die Anwendung von Datenanalyse und statistischen Methoden im juristischen Bereich. Es umfasst verschiedene Techniken und Werkzeuge, um juristische Fallprognosen zu treffen, Rechtsrisiken und Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits zu bewerten oder die Effizienz von Rechtsabteilungen zu verbessern. Legal Analytics kann sowohl auf strukturierte Daten wie Verträge oder Gerichtsdaten als auch auf unstrukturierte Textdaten wie Aufsätze und Artikel angewendet werden. In unserem Artikel „Recht und Daten“ können Sie tiefen in das Thema Legal Analytics einsteigen. [VERLINKEN]

Legal Argument Mining

Im Gegensatz zu den zwei zuvor genannten Begriffen konzentriert sich Legal Argument Mining speziell auf die automatische Extraktion und Analyse von juristischen Argumenten aus Texten. Dabei werden Textanalyse- und maschinelle Lernmethoden verwendet, um relevante rechtliche Argumente in juristischen Dokumenten wie Gerichtsentscheidungen oder juristischer Literatur zu identifizieren. Das Ziel besteht darin, die Effizienz der juristischen Forschung und Rechtsprechungsanalyse zu verbessern.

Methoden des Legal Argument Mining

Bei der Revolutionierung der juristischen Arbeit durch Legal Argument Mining spielen drei Methoden eine grundlegende Schlüsselrolle:

Automatisierte Textanalyse und maschinelles Lernen

Legal Argument Mining beruht auf automatisierter Textanalyse, einem Teilgebiet des maschinellen Lernens. Mithilfe von Algorithmen werden komplexe juristische Dokumente in strukturierte Daten umgewandelt. Durch diese Automatisierung kann die Technologie große Mengen an Texten effizient durchsuchen, relevante Argumente extrahieren und sie in einer für die Analyse geeigneten Form aufbereiten.

Verarbeitung natürlicher Sprache (Natural Language Processing, NLP)

Die Verarbeitung natürlicher Sprache ermöglicht es Legal Argument Mining, menschenähnliche Textverständnisfähigkeiten zu entwickeln. NLP-Algorithmen sind darauf spezialisiert, juristische Fachsprache und komplexe Rechtsbegriffe zu verstehen, um die Bedeutung von Sätzen und Abschnitten in Dokumenten zu erfassen. Dies ist entscheidend, um die spezifischen rechtlichen Argumente zu identifizieren.

Algorithmen und Modelle für juristische Texte

Spezifische Algorithmen und Modelle können mit Hilfe von maschinellem Lernen trainiert werden, um rechtliche Begründungen, Präjudizen und juristische Argumentationsmuster zu erkennen. Dabei werden sowohl regelbasierte Ansätze als auch datengetriebene Ansätze verwendet, um die Genauigkeit und Belastbarkeit der Ergebnisse zu erhöhen.

Praxisbeispiele und Erfahrungen mit Legal Argument Mining

In der juristischen Praxis hat sich Legal Argument Mining bereits in verschiedenen Anwendungsfällen als äußerst nützlich erwiesen:

Fallrecherche und Vorbereitung

Kanzleien und Unternehmen können diese Technologie nutzen, um relevante Argumente und Präjudizen in einer Vielzahl von Gerichtsentscheidungen und anderen Rechtsdokumenten schneller zu identifizieren. Das beschleunigt die Vorbereitung auf ein neues Mandat erheblich und ermöglicht eine fundierte und besser dokumentierte Argumentation vor Gericht.

Streitwerterkennung und -berechnung

Durch die automatisierte Analyse von rechtlichen Dokumenten können Anwält:innen die Erfolgsaussichten eines Rechtsstreits besser einschätzen. Außerdem können sie potenzielle Risiken oder Chancen frühzeitig erkennen. Dies hilft bei der Entscheidung, ob ein Fall vor Gericht gebracht oder eine alternative Lösung angestrebt werden soll.

Vertragsanalyse und Risikobewertung

Legal Argument Mining kann bei der Analyse von Verträgen und der Identifizierung kritischer Klauseln oder rechtlicher Risiken unterstützen. Die Technologie ermöglicht eine detaillierte Untersuchung von Vertragsbedingungen und hilft, mögliche Fallstricke zu erkennen, die ansonsten leicht übersehen werden können.

Herausforderungen und Grenzen des Legal Argument Mining

Mit der Identifikation relevanter juristischer Argumente, der Unterstützung bei der Rechtsprechungsanalyse und der Effizienzsteigerung in Rechtsstreitigkeiten bietet Argument Mining vielversprechende Möglichkeiten für die Rechtspraxis. Daneben bleiben jedoch auch Herausforderungen und Grenzen, die es im Auge zu behalten gilt. Ein bewusster Umgang hiermit ist entscheidend, um die Effektivität und Integrität der Technologie zu gewährleisten und eine verantwortungsvolle Anwendung in der juristischen Arbeit zu ermöglichen. Indem Rechtsanwält:innen sich dieser Herausforderungen bewusst sind, können sie die Potenziale des Legal Argument Mining optimal nutzen und gleichzeitig die Interessen ihrer Mandanten wahren.

Qualität und Verfügbarkeit von juristischen Texten und Daten

Eine der hierzulande primären Herausforderungen ist die Qualität und (mangelnde) Verfügbarkeit von juristischen Texten und Daten. Einerseits können juristische Dokumente in unterschiedlichen Formaten und Strukturen vorliegen, was die automatisierte Textanalyse erschwert. Andererseits sind zahlreiche relevante Dokumente – in erster Linie Gerichtsentscheidungen – nicht öffentlich zugänglich, veraltet oder nicht digital in durchsuchbarem Format vorhanden. Diese Unvollständigkeit der Daten beeinträchtigt die Genauigkeit und Belastbarkeit der Ergebnisse. Denn Legal Argument Mining hängt erheblich von der Verfügbarkeit hochwertiger und umfangreicher juristischer Texte ab.

Erfahren Sie mehr zur fehlenden Gerichtsöffentlichkeit in unserem Artikel Ein Orkan der Gerichtsöffentlichkeit – Wie Organe der Rechtspflege die Gerichtsöffentlichkeit steigern.

Interpretation von rechtlichen Nuancen und Kontexten

Eine weitere durchaus komplexe Herausforderung des Argument Minings ist die menschliche Interpretation rechtlicher Nuancen und Kontexte. Rechtliche Dokumente enthalten oft detaillierte und subtile Argumentationen, die spezifische juristische Fachkenntnisse erfordern. Maschinelle Lernmethoden können dabei Schwierigkeiten haben, solche Feinheiten angemessen zu verstehen und richtig zu interpretieren. Die Fähigkeit, den Kontext und die Bedeutung von juristischen Argumenten in komplexen juristischen Sachverhalten zu erfassen, muss stetig weiterentwickelt und verbessert werden. Nur dann kann eine zuverlässige und präzise Unterstützung für Rechtsanwält:innen gewährleistet werden.

Ethik und Datenschutz

Schließlich kann die Anwendung von Argument Mining auch ethische und datenschutzrechtliche Fragen aufwerfen. Insbesondere wenn sensible Rechtsdokumente und personenbezogene Daten von Mandanten verarbeitet werden, müssen strenge Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden. Mit solchen Sicherheitsmaßnahmen werden Vertraulichkeit gewährleistet und Missbrauch verhindert. Zudem sollten Anwält:innen sorgsam wählen, wie sie automatisierte Technologien in ihre Praxis integrieren. Sie müssen sicher stellen, dass Rechte und Interessen ihrer Mandanten geschützt bleiben und ethische Standards eingehalten werden.

Die iur.crowd hat ein Argument Mining Tool entwickelt, das diesen Kriterien standhält.

Aussichten und Potenziale des Legal Argument Mining

Entwicklungen im Bereich des Legal Argument Mining

Die Zukunft des Legal Argument Mining verspricht spannende Entwicklungen und Innovationen. Durch den stetigen Fortschritt im Bereich des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz werden die Algorithmen und Modelle immer leistungsfähiger und präziser. Dies wird zu einer weiteren Verbesserung der automatisierten Textanalyse und der Interpretation rechtlicher Nuancen und damit zu genaueren und umfassenderen Ergebnissen führen.

Zudem ist absehbar, dass Legal Argument Mining durch die Integration von kontextsensitiven und sprachverstehenden Techniken in der Lage sein wird, komplexe juristische Zusammenhänge noch besser zu erfassen. Die Integration von Expertenwissen und domänenspezifischen Regelwerken wird die Qualität und Relevanz der extrahierten Argumente weiter steigern.

Potenziale für die juristische Praxis

Potenziale von Legal Argument Mining für die juristische Praxis sind zahlreich vorhanden. Exemplarisch sollen folgende Potenziale hervorgehoben werden:

Effizienzsteigerung in der Rechtspraxis

Anwält:innen und Unternehmensjurist:innen können von einer erheblichen Zeitersparnis bei der Recherche und Analyse von Rechtsdokumenten profitieren. Argument Mining ermöglicht es, komplexe Informationen schneller zu durchsuchen und relevante Argumente gezielt zu extrahieren. Hierdurch wird die Fallbearbeitung beschleunigt und die Produktivität gesteigert.

Erhöhte Argumentationskraft und Rechtsgewinnung

Mit der Unterstützung von Legal Argument Mining können Rechtsanwält:innen ihre Argumentation fundierter und besser strukturiert präsentieren. Dies führt zu einer erhöhten Überzeugungskraft vor Gericht, verbesserten Erfolgsaussichten der Rechtsstreitigkeiten und letztlich zu einer erhöhten persönlichen Erfolgsquote.

Entdeckung neuer rechtlicher Zusammenhänge

Durch die automatisierte Analyse großer Mengen von Rechtsdokumenten können bisher unbekannte Verbindungen und Muster zwischen verschiedenen Rechtsfällen und Argumentationslinien entdeckt werden. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für die Entwicklung innovativer rechtlicher Strategien.

Förderung von Rechtsgleichheit und Zugang zur Justiz

Legal Argument Mining trägt außerdem dazu bei, den Zugang zur Justiz zu verbessern. Es bietet Anwält:innen eine effiziente Möglichkeit, auf umfangreiche juristische Informationen zuzugreifen und sie zu nutzen. Ein fundiertes Verständnis der rechtlichen Argumentation ist entscheidend für den Erfolg in juristischen Auseinandersetzungen. Argument Mining ermöglicht es auch weniger erfahrenen Anwält:innen und Rechtsuchenden, effektive Argumentationen zu entwickeln und vor Gericht besser aufzutreten. Dies kann die Chancengleichheit erhöhen, da ein breiterer Zugang zu juristischem Wissen und Informationen gewährleistet wird.

Insgesamt eröffnet Legal Argument Mining vielversprechende Perspektiven für die Juristerei. Die Option, relevante rechtliche Argumente automatisch aus umfangreichen Dokumenten zu extrahieren, ermöglicht eine fundiertere juristische Argumentation und eine verbesserte Chancengleichheit vor Gericht. Die Technologie unterstützt Jurist:innen dabei, Zeit und Ressourcen zu sparen und gleichzeitig qualitativ hochwertige juristische Arbeit zu leisten. Mit fortschreitenden Entwicklungen und gezielten Anpassungen an die Bedürfnisse der Anwält:innen wird die Rolle von Legal Argument Mining als wertvolles Instrument für die Bewältigung der komplexen Herausforderungen im Rechtswesen weiter gestärkt. Die Zukunftsaussichten sind vielversprechend. Denn der Fortschritt im Bereich des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz wird zu leistungsfähigeren Algorithmen und verbesserten Interpretationen führen.

Nach Auswertung der von der iur.crowd geführten Umfragen kosten Recherchearbeiten Anwält:innen ca. 2,5 Stunden am Tag. Das entspricht 425 EUR am Tag bei einem durchschnittlichen Stundensatz von 150 EUR. Diese Kosten können Anwält:innen mit dem Legal Argument Mining Tool der iur.crowd halbieren. Denn hiermit erhalten sie die gängigen Argumente aus Gerichtsentscheidungen auf Knopfdruck. Als Grundlage hierfür dient der iur.crowd eine dezentrale Sammlung von durch Anwält:innen geteilte Gerichtsentscheidungen. Hierauf wird bei der Auswertung zurückgegriffen.

Durch das Legal Argument Mining Tool der iur.crowd werden Antworten darauf gefunden, welche Argumente in bestimmten Kontexten besonders häufig vorkommen. Zusätzlich können Anwält:innen hiermit ihre eigenen Arbeitsabläufe beschleunigen und ihren Mandant:innen gleichzeitig eine erweiterte Beratung anbieten.

Recht und Daten: Wie Legal Analytics die Rechtsbranche revolutionieren

Big Data, maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz sind in aller Munde. Während sich viele Branchen diesen Fortschritt bereits zunutze machen, bleiben bestehende Möglichkeiten in der Rechtsbranche bisher größtenteils ungenutzt. Doch es kündigt sich Veränderung an und Legal Analytics spielen hierbei eine bedeutende Rolle. Aber was steckt hinter juristischer Datenanalytik und wie kann sie zur Steigerung des Geschäftserfolgs eingesetzt werden?

Was sind Legal Analytics?

Wie die meisten neuen Entwicklungen, lassen sich auch Legal Analytics für „Neulinge“ zunächst schwer greifen. Generell gesprochen, erfassen Legal Analytics alle Möglichkeiten der Datenanalysen und statistischen Methoden im Recht, um juristische Fragestellungen besser zu verstehen und fundierte Entscheidungen treffen zu können. Mithilfe von Technologien wie maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz können Legal Analytics Rohdaten sortieren, strukturieren und analysieren. Hierdurch wird Ordnung in das Daten-Chaos gebracht. Gleichzeitig können Erkenntnisse gewonnen und Trends entdeckt werden. Die Daten für Legal Analytics stammen aus verschiedenen Quellen wie beispielsweise Gerichtsakten, Gerichtsentscheidungen und kanzleiinternen Dokumenten. Mit Legal Analytics lässt sich beispielsweise leichter beantworten, ob es sinnvoll ist, ein Mandat zu übernehmen, wie lange Verfahren durchschnittlich dauern, wie wahrscheinlich es ist, dass ein bestimmter Antrag Erfolg hat oder ob ein Angebot der Gegenpartei angenommen oder weiter prozessiert werden sollte.

Zoomen wir in den Kanon der Möglichkeiten von Legal Analytics rein, können wir heutzutage vier Hauptanwendungsmöglichkeiten für die juristische Datenanalytik ausmachen. Wir unterscheiden zwischen der deskriptiven, der diagnostischen, der prognostischen und der präskriptiven Datenanalyse. Tools für die Rechtsanalyse helfen Anwält:innen, datengestützte Erkenntnisse zu ziehen und Entscheidungen zu treffen.

Woher stammen die Daten?

Um oben genannte Fragen mithilfe von juristischer Datenanalyse zu beantworten, benötigen wir Daten. Doch woher entnehmen wir die erforderlichen Informationen? Hierauf gibt es keine abschließende Antwort, denn die vorhandenen Datenquellen sind vielfältig. Eine besonders übergeordnete Rolle spielen hierbei Prozessdaten, die sich aus Quellen wie Gerichtsakten und Rechtsdokumenten, einschließlich Gerichtsurteilen, Klageschriften und anderen Schriftsätzen extrahieren lassen. In gesammelter, digitaler Form können wir die Daten analysieren und aus ihnen zahlreiche Erkenntnisse gewinnen. Darüber hinaus werden für Legal Analytics auch rechtliche Fachliteratur, Rechtskommentare und Gesetzesbücher als Informationsquelle herangezogen.

Eine weitere nicht zu unterschätzende Datenquelle sind interne Dokumente aus Kanzleien, Rechtsabteilungen in Unternehmen oder anderen (juristische) Organisationen. Heutzutage wird immer noch häufig unterschätzt, über wie viele Informationen Kanzleien und Co. intern bereits verfügen. Diese bieten sich hervorragend zur juristischen Datenanalytik an.

Wer kann Legal Analytics nutzen und welche Anwendungsfälle existieren für verschiedene Verwender:innen?

Nun wissen wir, was Legal Analytics sind und woher die zur Analyse verwendeten Daten stammen. Doch wer kann aus Legal Analytics für seinen Arbeitsbereich tatsächlich einen Nutzen ziehen? Die kurze Antwort hierauf lautet: Alle. Im Folgenden schauen wir uns deshalb einige Personengruppen an, deren Tätigkeitsbereich durch Legal Analystics wesentlich verändert und revolutioniert werden kann und welche Anwendungsfälle in den verschiedenen Bereichen existieren.

Legal Analytics für die Anwaltschaft

Die größte Gruppe mit wohl den meisten Anwendungsbereichen stellt die Anwaltschaft dar. Juristische Datenanalytik bietet Anwält:innen eine Vielzahl von Möglichkeiten, ihre Arbeit effektiver und effizienter zu gestalten. Hierzu zählen vor allem eine schnellere Fallbearbeitung und eine zielgerichtetere juristische Strategieentwicklung.

Anwaltskanzleien können Rechtsdatenanalyse auf unterschiedliche Weise, abhängig von der Größe der Kanzlei und den Tätigkeitsbereichen, nutzen. Obwohl die Methodik komplex erscheinen mag, ist das Ziel simpel: Anwält:innen zu ermöglichen, fundierte, datengestützte Entscheidungen zu treffen, um ihren Erfolg zu maximieren. Dort, wo Anwält:innen mit Fragen konfrontiert werden, können Legal Analytics ihnen dabei helfen, mit datengestützten Prognosen bessere und schnellere Antworten zu finden.

Im Folgenden finden Sie drei praktische Anwendungsbereiche, bei denen Legal Analytics-Tools die Anwaltschaft unterstützen können.

Datenbasierte Entscheidungsfindung

Legal Analytics bieten Anwält:innen die Möglichkeit, ihre Entscheidungsfindung datenbasiert zu optimieren. Durch den Zugriff auf umfangreiche Datenbestände gewinnen sie wertvolle Einblicke in historische Gerichtsentscheidungen, Fallausgänge und rechtliche Trends. Wie haben welche Gerichte in der Vergangenheit zu bestimmten rechtlichen Fragen entschieden? Datenbasiertes Wissen hierüber führt dazu, dass Anwält:innen ihre Argumentationslinie untermauern und die Erfolgsaussichten eines Mandats besser einschätzen können.

Ein weiteres Potenzial der Datenanalyse besteht darin, Risiken und Chancen zu identifizieren. Anwält:innen können denkbare Schwachstellen in einem Fall erkennen und entsprechende Maßnahmen ergreifen, um diese zu minimieren. Positive Trends und Entwicklungen können im weiteren Verlauf zu einem Vorteil für ihre Mandant:innen führen. Dieses extrahierte Wissen ermöglicht es Anwält:innen letztlich, fundierte strategische Entscheidungen zu treffen und ihre Argumentation zu stärken.

Kostenoptimierung

Das Thema Kostenoptimierung innerhalb einer Kanzlei hat mehrere Dimensionen. Die meisten Kosten lassen sich wohl vermeiden, wenn wir eine Frage stets im Auge behalten: Ist es aus finanzieller Sicht sinnvoll, ein bestimmtes Mandat zu übernehmen? Anwält:innen gelingt es, durch den Einsatz von Datenanalyse und Prognosemodellen, die vorhandenen Ressourcen besser zuzuweisen und unnötige rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Dies führt zu einer effizienteren Nutzung von Zeit und Geld. In diesem Zusammenhang ist die Entscheidung, welche Mandate nicht übernommen werden sollen, womöglich noch wichtiger, als die, welche Mandate übernommen werden sollen. Durch den Einsatz von Analysetools können Anwaltskanzleien die wahrscheinlichen Kosten eines Mandats gegen den potenziellen finanziellen Nutzen abwägen. Auch wenn es auf den ersten Blick kontraintuitiv erscheint, kann es sinnvoll sein, ein Mandat mit einem niedrigeren Streitwert anzunehmen, da die Vorabkosten deutlich geringer sein können. Anhand dieser Daten können die Kanzleien entscheiden, welche Mandate angesichts ihrer aktuellen Arbeitsbelastung und finanziellen Situation am sinnvollsten sind.

Prognose von Fallausgängen

Juristische Datenanalyse ermöglichen es Anwält:innen, mithilfe von statistischen Modellen und Algorithmen Prognosen über den Ausgang eines Falles zu treffen. Durch die Analyse von ähnlichen Fällen aus der Vergangenheit können sie die Erfolgschancen einer bestimmten Strategie bewerten und ihre Vorgehensweise entsprechend anpassen. Wann war in ähnlich gelagerten Fällen der richtige Zeitpunkt dafür, verschiedene Prozesshandlungen vorzunehmen? Basiert die Antwort auf diese Frage heute noch allzu oft auf Vermutungen und Intuition, lässt sich der optimale Zeitpunkt für bestimmte strategische Schritte bereits durch juristische Datenanalytik bestimmen.

Mit diesen Analyseergebnissen können sich Anwält:innen auf harte Daten stützen, um wichtige strategische Entscheidungen während des gesamten Prozesses zu treffen. Mit einer großen Menge an Daten bieten Legal Analytics auf der Grundlage der Art des Antrags, der Gerichtsbarkeit, der entscheidenden Richter:innen, der gegnerischen Anwält:innen und einer Vielzahl anderer Faktoren Orientierungshilfen. Auf diese Weise verhelfen Legal Analytics Anwält:innen dazu, ihr Bauchgefühl mit aussagekräftigen Daten zu bestärken.

Legal Analytics für Rechtsabteilungen in Unternehmen

Werfen wir einen Blick in Rechtsabteilungen deutscher Unternehmen, sehen wir, dass auch dort ähnliche, meist wirtschaftliche Fragestellungen aufgeworfen werden. Auch hier lautet das Ziel: Optimierung. Wie tragen Legal Analytics nun zu einer solchen Verbesserung in Rechtsabteilungen bei?

Risikomanagement

Durch die Analyse von rechtlichen Daten wie Gerichtsentscheidungen, Rechtsvorschriften und regulatorischen Änderungen können potenzielle Risikobereiche in Rechtsabteilungen frühzeitig identifiziert und bewertet werden. Um solche Risiken zu minimieren und Compliance sicherzustellen, können auf Grundlage der Legal Analytics geeignete Maßnahmen ergriffen werden.

Budgetplanung und Kostenkontrolle

Genau wie bei der Kostenoptimierung in Anwaltskanzleien bedarf es auch in Rechtsabteilungen eines Überblicks über die eigene Kostenstruktur, um effizientere Ergebnisse zu erzielen. Fehlende Kontrolle über entstehende oder wiederkehrende Kosten gehört der Vergangenheit an. Denn durch die Analyse abgeschlossener Fälle und damit einhergehender Ausgaben können Budgets präziser geplant und Ressourcen effizienter eingesetzt werden. Damit werden unnötige Kosten reduziert und eine erfolgreiche Rechtsabteilung geführt.

Vertragsmanagement

Neben den genannten Aspekten spielt das Vertragsmanagement eine bedeutende Rolle in Rechtsabteilungen. Daher mutet es seltsam an, dass dieser Tätigkeitsbereich noch nicht in allen Rechtsabteilungen Einzug gehalten hat. Wenn man sich dazu vergegenwärtigt, dass durch Legal Analytics Muster, Trends und Risiken in Verträgen in einer ungeahnten Geschwindigkeit erkannt werden können, darf dieser Posten nicht länger unbesetzt bleiben. Vertragsmanager:innen verhandeln mithilfe von analysierten Vertragsdaten bessere Vertragsbedingungen und identifizieren darüber hinaus notwendige Vertragsverlängerungen oder Kündigungen.

In einem bestimmten Bereich ändert sich die Rechtsprechung? Mit Legal Analytics sind Verträge, die hiervon betroffen sind, schnell identifiziert und aktualisiert. Veraltete und dadurch angreifbare Verträge verabschieden sich von der Bildfläche. Notwendige Voraussetzung ist jedoch auch hierfür das extrahierte Wissen aus einschlägigen Gerichtsentscheidungen.

Legal Analytics für die Justiz

Dass die Digitalisierung auch viele Chancen für die Justiz bietet, ist kein Geheimnis mehr. Dennoch bereitet ihre Implementierung große Mühen. Effizienzsteigerung und Transparenz sind nur einige Gründe, weshalb sich diese Mühen jedoch lohnen.

Effizienzsteigerung

Immer häufiger hören wir davon, dass die Justiz überlastet ist. Die Lösung hierfür: Verfahren beschleunigen und Verzögerungen reduzieren! Ganz so einfach ist das natürlich nicht. Doch Legal Analytics können der Justiz – wie auch den zuvor genannten Anwender:innen – helfen, Workflows zu implementieren und effizienter zu gestalten. Durch den Einsatz von Datenanalyse können Richter:innen schnell auf relevante Rechtsinformationen zugreifen, um fundierte Entscheidungen zu treffen.

Prognose von Fallausgängen

Durch die Analyse vergangener Gerichtsentscheidungen können statistische Modelle entwickelt oder gesammelte Durchschnittswerte von beispielsweise Schadensersatz- oder Streitwerten ermittelt werden. Mithilfe von Legal Analytics können Gerichte also sehen, wie andere Gerichte ähnlich gelagerte Fälle entschieden haben, vergleichbare Argumente für vergleichbare Fälle übernehmen und gewisse Prognosen über den Ausgang eines Falles treffen. Dies ermöglicht eine objektivere und einheitlichere Entscheidungsfindung und stärkt zugleich die Konsistenz der Rechtsprechung – Gleiches wird gleich behandelt. Doch wieso sollten Fallausgänge prognostizierbar werden? Nicht zuletzt das Argument der Rechtssicherheit sollte an dieser Stelle wohl überzeugen.

Transparenz und Zugang zu Informationen

Erhöhte Vorhersehbarkeit und Konsistenz der Rechtsprechung hat unmittelbare Auswirkungen auf das Vertrauen der Bevölkerung in das Rechtssystem. Öffentlich zugängliche Justizdaten sind mithilfe von Legal Analytics ohne großen Mehraufwand erstellbar. Dies fördert die Transparenz der Justiz und ermöglicht es, Informationen über Gerichtsverfahren, Urteile und rechtliche Entwicklungen für Bürger:innen zugänglich zu machen. Dadurch wird das Vertrauen in das Rechtssystem gestärkt und die demokratische Teilhabe gefördert.

Legal Analytics für Versicherungen und Prozessfinanzierer

Weitere Anwendungsbereiche für Legal Analytics finden wir, wenn wir uns die Berufsbilder von Versicherungen und Prozessfinanzierer anschauen. Risikobewertungen, Schadens- und Portfolio-Management, aber gerade auch der Bereich der Vorhersehbarkeit von Prozessausgängen ist hier besonders relevant. Rentabilität ist das entscheidende Wort. Denn mit den Erfolgsaussichten steht und fällt vor allem die Wirtschaftlichkeit eines Falls. Für Versicherungen ist es daher essentiell, auf Daten zurück zu greifen, die es vermögen, Auskunft über die Wahrscheinlichkeit von Klagen und Schadensersatzansprüchen zu geben. Für Prozessfinanzierer gilt dasselbe im Hinblick auf Risiken und potenzielle Erträge. Solche Daten, die mithilfe von Legal Analytics fruchtbar gemacht werden, helfen wesentlich bei der Beantwortung der Frage, welche Fälle versichert bzw. finanziert werden sollen.

Auch bei der Verwaltung des eigenen Portfolios sind die Ansätze von Legal Analytics goldwert. Denn die Analyse von vergangenen Schadensfällen kann Muster und Trends identifizieren, um Betrugsfälle zu erkennen und effiziente Regulierungsprozesse einzuführen. Auf diese Weise lassen sich auch hier Kosten einsparen und die Rendite verbessern.

Legal Analytics für Bürger:innen

Zu guter Letzt profitieren auch die Bürger:innen von den Entwicklungen, die juristische Datenanalysen mit sich bringen. Im Gegensatz zu den zuvor genannten Verwender:innen, bei denen Legal Analytics oftmals mit Effizienz und Optimierung verknüpft werden, steht hier der Einblick in unser Rechtssystem an vorderster Stelle. Juristische Laien sollen die Möglichkeit bekommen, das Recht zu verstehen und darüber hinaus ein besseres Verständnis für den Justizbetrieb zu entwickeln. Durch die Analyse von veröffentlichten Gerichtsentscheidungen und ähnlichen Fällen können sie ihre Chancen auf einen erfolgreichen Ausgang eines Rechtsstreits besser einschätzen.

Dieses entwickelte Vertrauen in die Justiz kommt letztlich dem ganzen Rechtssystem als solches zu Gute. Denn Wissen führt zu demokratischer Teilhabe.

Fazit

Die Führung eines jeden Unternehmens, einer jeden Anwaltskanzlei erfordert eine Vielzahl von Entscheidungen. Jede einzelne Entscheidung hat bedeutende Auswirkungen, nicht selten mit unbeabsichtigten Folgen, wenn die Entscheidung auf individuellem Wissen und dem allseits bekannten Bauchgefühl fußt. Indem sie sich der wachsenden Gruppe von Anwender:innen anschließen, die juristische Analysetools verwenden, können die genannten Personengruppen sicherstellen, dass sie fundierte Entscheidungen treffen, die ihre Praxis auf die nächste Stufe heben.

Ein solches Analysetool in Form einer Plattform zum Teilen und Analysieren von Gerichtsentscheidungen bietet die iur.crowd. Die Plattform setzt bereits bei der fehlenden Veröffentlichung der benötigten Daten an. Da weniger als 1 % der Gerichtsentscheidungen in Deutschland veröffentlicht werden, fehlt es an einer Grundlage für Legal Analytics in Deutschland. Die iur.crowd sammelt die Gerichtsentscheidungen und pseudonymisiert sie automatisch. Auf diese Weise ist die Anwendung DSGVO-konform und schützt Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse effektiv. Die iur.crowd analysiert die hochgeladenen Gerichtsentscheidungen und liefert Legal Analytics.

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Legal Analytics – eine Gefahr für klassische juristische Berufsbilder?

Technologie verändert unsere Arbeitswelt. Hiervon bleibt auch die Rechtsbranche nicht verschont. Doch wo Wandel herrscht, entstehen Unsicherheiten und verschiedene Meinungen und Perspektiven, die wir einnehmen können. Die Einführung von Legal Analytics in die juristische Praxis hat unzweifelhaft Auswirkungen auf traditionelle Berufsbilder der Rechtsbranche. Doch können Legal Analytics tatsächlich juristische Berufsbilder gefährden? Folgende Punkte können bei der Betrachtung dieser Frage berücksichtigt werden.

Veränderung des Tätigkeitsprofils für juristische Berufsbilder

Während Legal Analytics bestimmte Aufgaben automatisieren kann, eröffnet es gleichzeitig neue Möglichkeiten für juristische Fachkräfte. Anstatt sich auf zeitaufwändige Recherchearbeiten zu konzentrieren, können sie ihre Expertise und ihr Fachwissen in komplexeren Rechtsfragen einsetzen. Legal Analytics kann sie bei der Analyse großer Datenmengen unterstützen und fundierte Entscheidungen treffen lassen. Berufsbilder im Rechtsbereich können sich also anpassen und weiterentwickeln.

Kombination von Technologie und Fachwissen

Legal Analytics sollte dabei stets als Werkzeug betrachtet werden, das die Arbeit von Jurist:innen unterstützt und ergänzt. Die menschliche Expertise, das Verständnis für den Kontext und die Fähigkeit zur Ausübung von juristischem Ermessen bleiben weiterhin von großer Bedeutung. Jurist:innen können Legal Analytics nutzen, um bessere und fundiertere Entscheidungen zu treffen, jedoch kann es nicht den menschlichen Beurteilungsprozess ersetzen.

Entstehung neuer juristischer Berufsbilder

Mit der Einführung von Legal Analytics entstehen auch neue Berufsbilder in der Rechtsbranche. Expert:innen für Legal Analytics, Datenanalytiker:innen, Technologieberater:innen und Datenschutzexpert:innen werden immer wichtiger, um den Einsatz von Legal Analytics zu unterstützen und zu optimieren. Diese Berufe erfordern spezifische Kenntnisse in den Bereichen Recht, Datenanalyse und Technologie.

Keine Gefahr für juristische Berufsbilder

Letztendlich hängt die Auswirkung von Legal Analytics auf Berufsbilder in der Rechtsbranche von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Bereitschaft von Fachleuten, technologische Innovationen zu integrieren und ihre Kompetenzen anzupassen. Während einige traditionelle Aufgaben automatisiert werden können, eröffnen sich gleichzeitig neue Möglichkeiten, bei denen Fachwissen und menschliches Urteilsvermögen eine wichtige Rolle spielen.

Die Rechtswissenschaft bietet bereits heute so viele Berufsmöglichkeiten wie kaum eine andere. Indem Sie sich kontinuierlich weiterbilden und Fachkenntnisse im Bereich Legal Analytics entwickeln, können Sie Ihre Berufsaussichten in der Rechtsbranche zukunftsgerichtet verbessern und sich auf die sich verändernde Landschaft vorbereiten... Und sich letztlich doch für einen klassischen juristischen Beruf entscheiden. Mit dem Vorteil, dass Sie den Beruf proaktiv ausüben können.

Mehr zum Thema Legal Analytics erfahren Sie hier auf der Website der iur.crowd.

LZR und iur.crowd: Innovative Zusammenarbeit für die Zukunft der Legal-Tech-Branche

LZR Insight – Einblicke in zukünftige Entwicklungen

Die Welt entwickelt sich durch digitale Transformation weiter. Höchste Zeit, diese Veränderung auch in der gesamten Rechtsbranche anzunehmen und hieraus neue Wege zu entwickeln.

An dieser Stelle setzt die LRZ an. Sie bietet eine wichtige Plattform für die Diskussion aktueller rechtlicher Entwicklungen und Themen. Mit ihrem innovativen und fortschrittlichen Ansatz ist die LRZ eine unverzichtbare Informationsquelle für alle, die sich für das moderne Wirtschaftsrecht und die Digitalisierung des Rechts interessieren.

Doch da kommt noch mehr. LRZ Insight wird die Tür zu innovativen Anwendungen im Bereich juristischer Fachinformationen öffnen. Ziel ist es, gemeinsam ein unentbehrliches Informationsangebot zu schaffen, das einen erheblichen Mehrwert für die Rechtsbranche bietet. Neben altbekannten juristischen Informationssystemen wie Juris und Beck-online soll das Fachinformationsportal künftig von Jurist:innen als gleichwertige Alternative angenommen und genutzt werden. Dabei stehen drei Kerninhalte im Fokus: Erstens werden neue Fachinhalte wie bislang tausende unveröffentlichte Gerichtsentscheidungen einsehbar. Zweitens werden intelligente Recherchetools wie eine semantische Suche oder eine Suche nach Argumenten angeboten, um die Suche nach spezifischen Informationen zu erleichtern. Und drittens werden neuartige Fachinformationen wie Analysedaten bereitgestellt, um den Mehrwert der LRZ Insight für Anwender:innen weiter zu erhöhen. Neben diesen inhaltlichen Vorteilen werden durch die digitale Infrastruktur die Sichtbarkeit, die Reichweite und die Reputation der LRZ Partner:innen – der Legal-Tech-Anbieter:innen – gesteigert.

iur.crowd und LZR Insight – Neue Wege in der juristischen Datenanalyse

Partnerschaft für Innovation

Gemeinsam mit iur.crowd wird LRZ Insight neue Maßstäbe im Rahmen von Legal Analytics setzen. Zukünftig sollen bislang nicht veröffentlichte Gerichtsentscheidungen und die Legal Analytics der iur.crowd in das Angebot integriert und über ein Premium-Abo der LRZ zugänglich gemacht werden. Dadurch wird es Nutzer:innen möglich sein, auf ein breiteres Spektrum an juristischen Fachinformationen zuzugreifen und ihre Recherchen um neue, bislang unveröffentlichte Quellen zu erweitern.

Von Daten zu Erkenntnissen: Was sind Legal Analytics?

Wenn von Legal Analytics die Rede ist, sind die Möglichkeiten der Datenanalysen im Recht gemeint. Es handelt sich um statistische Auswertungen juristischer Daten. Diese Auswertungen dienen unter anderem dazu, die Rechtsrecherche für Jurist:innen zu beschleunigen und inhaltlich zu erweitern. Hierbei fokussiert sich die iur.crowd auf die Analyse von Gerichtsentscheidungen. Mit Legal Analytics lassen sich im Hinblick auf Gerichtsentscheidungen Fragen beantworten wie: Wie häufig wurde in vergleichbaren Fällen von welchen Spruchkörpern mit welchem Ausgang geurteilt? Wie lange dauern ähnlich gelagerte Verfahren? Was sind durchschnittliche Streit- oder Schadensersatzwerte? Oder welche Argumente kommen in welchem Kontext besonders häufig vor?

Wie Rechts- und Complianceabteilungen profitieren können

Nicht nur praktizierende Anwält:innen in Kanzleien können an den Vorteilen von Legal Analytics partizipieren. Auch Rechts- und Complianceabteilungen sind in der Lage aus Legal Analytics großen Nutzen für ihre Arbeit zu ziehen. Für sie sind beispielsweise Kenntnisse darüber, ob Trends im Fallaufkommen beziehungsweise in der Prozessführung und den damit einhergehenden Geschäftsfeldern erkennbar sind, von besonderer Relevanz. Wird für eine außergewöhnliche Fragestellung externer Rat benötigt, geben Legal Analytics Aufschlüsse darüber, welche Anwält:innen in gewissen Bereichen gerichtliche Expertise aufweisen. Über einen längeren Zeitraum werden aussagekräftige Track records generiert, die Kompetenzen und Erfolge sichtbar machen. Manch eine Fragestellung bedarf erhöhtes Hintergrundwissen. So ist bei der Wahl des Gerichtsstandorts meist die Entscheidungstendenz der verschiedenen Gerichte und deren Ausprägung nicht ganz unerheblich. Der Wert von Legal Analytics für Rechts- und Complianceabteilungen offenbart sich wohl am meisten bei der wirtschaftlichen Betrachtung der Verfahren. Oftmals schwebt die Frage über uns, ob ein Verfahren, das gegebenenfalls geführt werden muss, den (wirtschaftlichen) Aufwand wert ist? Um diese übergeordnete Frage zu beantworten, helfen Antworten auf Fragen wie: Wie lange dauern Verfahren? Wie teuer sind sie? Mit welcher Wahrscheinlichkeit gehen sie wie aus? Auf welchen Erfahrungsschatz greift die Gegenseite zurück und wie positiv ist ihr Track Record?

Neben diesen wertvollen Erkenntnissen im Außenverhältnis zeigen sich die Vorteile von Legal Analytics auch im Innenverhältnis. Durch die Auswertung von Daten zeigt sich ein klares Bild, wie unterschiedlich oder ähnlich sich Abteilungen im Unternehmen verhalten. Wie wettbewerbsfähig sind entwickelte Strategien? Letztlich bieten all diese Information eine hilfreiche Basis für Berufseinsteiger:innen, die sich zunächst in einem komplexen Umfeld zurecht zu finden versuchen. Informationen, die intern für ein klares Bild sorgen, sind schnell für die Außenkommunikation aufbereitet. Dort, wo viele Daten einsehbar sind, herrscht oft Desinformation. Gezielte Darstellung von ausgewerteten Daten sorgt an der Stelle für Transparenz und Transparenz führt zu mehr Sicherheit und Klarheit bei Mandant:innen und Kund:innen. Ein Pluspunkt für all jene, die ihre Daten statistisch auswerten können.

Anwaltschaft als Teil von Legal Analytics – Wie Urteilssharing zur Datengrundlage wird

Gerichtsentscheidungen sind die Datengrundlage für Legal Analytics. Wo keine Daten, da keine Analysen. Das ist prekär, denn die Veröffentlichungsquote liegt im Durchschnitt aktuell bei lediglich rund 1 %. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Der Lösungsansatz der iur.crowd zur Steigerung dieser Prozentzahl bezieht die Organe der Rechtspflege mit ein, die ihre Gerichtsentscheidungen zur Verfügung stellen. Damit werden auf der einen Seite bislang nicht veröffentlichte Entscheidungen sichtbar und auswertbar. Auf der anderen Seite erhalten Anwält:innen Rabatte auf Zugänge zu den Leistungen der iur.crowd.

Seien Sie Teil der Zukunft: Jetzt Beta-Zugang testen

Mit einer Sonderaktion für die Legal Revolution erhalten Teilnehmende der LRZ 100 % Rabatt auf einen exklusiven Beta-Zugang. In naher Zukunft wird ein vergleichbares Angebot auch für Abonnent:innen der LRZ zur Verfügung stehen.

Justizdaten als Schatztruhe für die quantitative Rechtsforschung

Eine Betrachtung der Potenziale und Herausforderungen

In der ausländischen empirischen Rechtsforschung gibt es vielversprechende Ansätze, die die Digitalisierung der Justiz beeinflussen können. Grundlage hierfür sind jedoch in einer hinreichenden Datenqualität vorhandene Justizdaten und ein verbreiteter Wille in der Justizlandschaft, diese Daten für die Zwecke der empirischen Auswertung zur Verfügung zu stellen.

I. Quantitative Rechtsforschung: Eine visionäre Perspektive

1. Juristische Datenanalyse – Eine Bestandsaufnahme

In Deutschland besteht eine große Menge an juristischen Daten, die von verschiedenen Stellen generiert und verwendet werden. Hierzu gehören beispielsweise Gerichtsentscheidungen, Gerichtsakten, Statistiken und Gesetzesentwürfe. Der Zugang zu diesen Daten ist jedoch nicht immer einfach. Die Veröffentlichungsquote variiert je nach Art der Daten. Denn in Deutschland gibt es im Hinblick auf die Veröffentlichung von juristischen Daten keine einheitliche Regelung. Einige Gerichte und Behörden veröffentlichen etwa ihre Entscheidungen und Statistiken regelmäßig im Internet oder in speziellen Fachzeitschriften, während andere nur einen begrenzten Zugang zu ihren Daten ermöglichen oder sie überhaupt nicht öffentlich zugänglich machen. Genau das ist bereits der Kern der Herausforderung, denn der Zugang zu juristischen Daten ist oft eins: schwierig und zeitaufwendig.

Aber was wäre, wenn die immense Bedeutung von juristischen Daten erkannt würde und der deutsche Zivilprozess durch die Nutzung dieser Daten wahrhaft transformiert werden könnte? Das könnte zu einer Welt führen, in der sämtliche juristischen Daten gesammelt und analysiert würden, um Gerichte, Behörden und Akteur:innen der Rechtspflege bei ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen und vielleicht sogar Gerechtigkeit zu fördern.

Wie könnten wir uns das vorstellen? In dieser Welt identifizieren wir durch die Analyse von juristischen Daten Trends und Muster, die es uns ermöglichen, das Zivilrecht kontinuierlich zu verbessern. Wir können die Umsetzung von Gesetzen überwachen und sicherstellen, dass Recht in diesem Sinne gesprochen wird. Wo liegen die Stärken und Schwächen des deutschen Zivilprozesses? Dank der Nutzung und Auswertung von juristischen Daten finden wir hierauf Antworten. Auch Anomalien und Fehler fallen (schneller) auf. Das heißt, Handlungsbedarf wird erkannt und es wird dementsprechend reagiert. Zu viel Zeit mit wiederkehrenden Aufgaben verbringen? Das möchte niemand. Aus Routine wird Automation, was die Arbeit der Gerichte, der Behörden und der Anwaltschaft erheblich erleichtert. Das hat Auswirkungen auf Ressourcen und ihre Verteilung. Mit Daten gespeiste Prognosemodelle erkennen potenzielle Rechtsstreitigkeiten frühzeitig und wissen sie zu verhindern.

Was aber wäre, wenn uns bewusst würde, dass diese Transformation viel realistischer ist, als wir Jurist:innen in Deutschland aktuell vermuten? Die Daten, die wir benötigen, um solche großen oder kleinen Veränderungen hervorzurufen, liegen bereits vor unseren Augen. Immerhin können wir seit einigen Jahren eine Entwicklung im Bereich der Auswertung von juristischen Daten erkennen. Digitale Prozesse schreiten voran und maschinelle Lernverfahren halten Einzug. All das sind Mechanismen, die darauf hinwirken, juristische Daten in Zukunft effizienter nutzen zu können. Hat also nun die Stunde von Datenanalyse, Big Data und Machine Learning im Recht geschlagen? Viele Länder dieser Welt meinen: Ja! Deutschland befindet sich währenddessen in puncto juristischer Datenanalysen noch in der Beta-Phase. Mithilfe von ausländischen Forschungsbeispielen, in denen Recht in Daten umgeformt wird, finden wir im Folgenden heraus, was auch im deutschen Zivilprozess bereits möglich wäre und welche Rolle die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen dabei spielt. Hierbei legen wir besonderes Augenmerk auf die Bedeutung deskriptiver (2.), diagnostischer (3.), prognostischer (4.) und präskriptiver (5.) Rechtsforschung.

2. Deskriptive Rechtsforschung für eine objektive Analyse

a) Verstehen statt bewerten

Streben wir an, geltendes Recht in seiner faktischen Anwendung und Auslegung zu beschreiben, sprechen wir von deskriptiver Rechtsforschung. Hierbei untersuchen wir beispielsweise, wie sich Rechtsnormen auf das Verhalten von Individuen und Gruppen auswirken oder wie sich die Rechtspraxis im Laufe der Zeit verändert. Das Ziel der deskriptiven Rechtsforschung besteht darin, eine möglichst objektive Beschreibung des geltenden Rechts und seiner Anwendung zu liefern.

b) Ausländische Forschungsansätze

Beginnen wir beim größten Schauplatz unserer Zeit, den sozialen Netzwerken. Sie sind aus unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Die durchschnittliche tägliche Nutzungsdauer von sozialen Medien aller Altersklassen nimmt seit Jahren kontinuierlich zu. Viele Branchen machen sich diese Tatsache bereits zunutze. Es liegt also auf der Hand, die gängigen sozialen Netzwerke auch im Kontext der Rechtsforschung zu analysieren, um Beziehungen zwischen juristischen Akteur:innen und Institutionen zu identifizieren. Bei dieser sogenannten Legal Network Analysis setzt beispielsweise das Law and Technology Institute an der Universität Autónoma de Madrid in Spanien an. Im Rahmen seiner Forschung nutzt es Daten wie Gerichtsentscheidungen, Gesetze und Verträge, um die Interaktionen zwischen verschiedenen Akteur:innen zu visualisieren und zu verstehen. Ähnliche Ansätze verfolgt auch die Universität Groningen, deren Forschung unter dem Dach des Groningen Centre for Law and Governance (GCLG) organisiert ist.

Bleiben wir bei der Zivilgesellschaft. Der Zivilprozess erscheint für viele juristische Laien sehr unzugänglich. Eine nicht enden wollende Papierschlacht im großen unübersichtlichen Paragrafendschungel. Daher muss eine Frage, die wir uns unwillkürlich stellen müssen, heißen: Wie kann der Zugang zur Justiz verbessert werden? Hieran forscht eine Gruppe an der University of New South Wales in Australien.

Wenden wir den Blick weg vom juristischen Laien hin zur Anwaltschaft, so finden sich auch hier zahlreiche Forschungsbeispiele, die durch deskriptive Forschungsansätze die Arbeit der Anwält:innen erleichtert. Beispielsweise wird in den USA datenbasierte juristische Analytik betrieben, um Schadensersatzwerte in Produkthaftungsfällen zu untersuchen. Mithilfe der Analytik können Forschende hier herausfinden, welche Schadensersatzwerte in welcher Höhe in ähnlichen Fällen bereits zugesprochen wurden.

3. Die diagnostische Rechtsforschung als Wegbereiterin für eine effektive Problemanalyse

a) Rechtsprobleme frühzeitig erkennen und lösen

Bestehen eklatante Probleme und Fehlentwicklungen in unserem Rechtssystem? Antworten hierauf findet die diagnostische Rechtsforschung. Hierbei geht es um die Bewertung und Beurteilung des Rechts im Hinblick auf seine Effektivität und Legitimität.

Das Ziel der diagnostischen Rechtsforschung besteht darin, Schwächen im bestehenden Rechtssystem zu identifizieren, um das Rechtssystem langfristig effektiv und gerecht zu gestalten.

b) Ausländische Forschungsansätze

Zwei Rechtsgebiete, die (fast) jede Person zumindest privat betreffen, sind das Miet- und das Arbeitsrecht. Denn gewohnt und gearbeitet wird (fast) überall. Daher ist Rechtsforschung in diesen Gebieten besonders sinnhaft. Mithilfe von Legal Analytics, also der Möglichkeit der Datenanalyse im Recht, widmen sich kanadische Forschende der Frage, ob die Ziele eines Gesetzes im Rahmen des Immobilienrechts erreicht wurden. Konkret wurden die Auswirkungen von Gesetzen auf die Immobilienbranche untersucht, indem beispielsweise durchschnittliche Mietminderungen und Streitwerte ermittelt und analysiert wurden. In den USA finden wir diagnostische Untersuchungen von Entscheidungen im Bereich des Arbeitsrechts. Hier wird mit juristischer Datenanalyse beispielsweise untersucht, ob politische Ansichten der Richter:innen eine Rolle bei der Urteilsfindung spielen.

4. Die Bedeutung der prognostischen Rechtsforschung für präventive und effektive Lösungen von Rechtsproblemen

a) Die Zukunft des Rechts vorhersagen

Wie wird sich unser Rechtssystem in Zukunft entwickeln? Bei dem Versuch, diese Entwicklung vorherzusehen, hilft die prognostische Rechtsforschung. Hierbei geht es darum, die Auswirkungen von geplanten oder zu erwartenden Änderungen im Rechtssystem auf die Rechtspraxis oder die Gesellschaft zu prognostizieren. Das Ziel besteht darin, die Konsequenzen von geplanten oder zu erwartenden Veränderungen im Rechtssystem frühzeitig zu erkennen und fundiert Entscheidungen zu treffen. Hierdurch sollen mögliche negative Auswirkungen auf die Rechtspraxis oder die Gesellschaft vermieden werden.

b) Ausländische Forschungsansätze

Die prognostische Rechtsforschung bringt wohl die meisten futuristischen Komponenten mit sich. Ohne die Begriffe Big Data und Machine Learning kommt man hier nicht mehr aus. Auf Basis modernster Technologien haben sich Ansätze wie Legal Text Mining und Legal Prediction eine Daseinsberechtigung erarbeitet. Durch die Entwicklung von Algorithmen werden Vorhersagen von Gerichtsentscheidungen im Zivilprozess möglich. Unter anderem in den Niederlanden und in Italien werden bereits maschinelles Lernen und Datenanalyse verwendet, um Vorhersagen über den Ausgang von Zivilprozessen zu treffen. Hierzu wird ebenfalls im Centre for Artificial Intelligence an der Universität Zagreb in Kroatien und an der Universität Zürich in der Schweiz geforscht.

Aber wie gut funktionieren diese auf Algorithmen basierenden Lernmodelle bereits? Diese Frage stellen sich auch Forschende an der Stanford Law School. Im Zuge des Predictive Justice Project wird – wie bei den oben genannten Forschungsansätzen – maschinelles Lernen und Datenanalyse verwendet, um Prognosen über den Ausgang von Gerichtsverfahren zu treffen. Ein konkretes Beispiel liefert die Studie des Projekts, in der untersucht wurde, wie gut maschinelle Lernmodelle tatsächlich in der Lage sind, den Ausgang von Asylverfahren vorherzusagen.

5. Präskriptive Rechtsforschung als Instrument für zielgerichtete und effektive Gestaltung des Rechts

a) Vom Verstehen zum Gestalten

In welche Richtung soll sich das Recht entwickeln? Nun befinden wir uns im Bereich der präskriptiven Rechtsforschung. Es geht darum, das bestehende Rechtssystem zu evaluieren und auf dieser Grundlage Vorschläge zur Verbesserung oder Weiterentwicklung zu erarbeiten. Die präskriptive Rechtsforschung sollte immer darauf ausgerichtet sein, konkrete Handlungsempfehlungen und normative Vorschläge für die Weiterentwicklung des Rechtssystems zu erarbeiten. Hierdurch soll das Rechtssystem an aktuelle gesellschaftliche Bedürfnisse angepasst und verbessert werden. Die präskriptive Rechtsforschung leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung und Fortentwicklung unseres Rechtssystems.

b) Ausländische Forschungsansätze

Datenanalyse kann in einem letzten Schritt auch als Wegweiser für eine korrekte Verwendung von Recht verstanden werden. Werfen wir erneut einen Blick in die USA. Hier finden wir im Bereich der präskriptiven Rechtsforschung Studien, die auf positiven Fortschritt im Rahmen des Zivilprozesses abzielen. Das Access to Justice Lab, ein interdisziplinäres Forschungszentrum an der Harvard Law School, konzentriert sich dabei auf die Verbesserung des Zugangs zur Justiz.

Damit betreten wir das Terrain des Design Thinkings und des Methodenansatzes des Legal Designs, womit sich auch das Stanford Legal Design Lab, ein Forschungszentrum an der Stanford Law School, schwerpunktmäßig beschäftigt.

II. Deutschland im Fokus: Fortschritte und Potenziale in der quantitativen Rechtsforschung

All dies steht in Deutschland jedoch nicht an der Tagesordnung. Vielmehr fristet die empirische Rechtsforschung bis heute ein Nischendasein, auch wenn sich gegenwärtig gegenteilige Entwicklungstendenzen offenbaren. Die Gründe für den beschränkten Blick auf die empirische Rechtswissenschaft sind dabei vielfältig. Hier können nur einzelne betrachtet werden. Im Folgenden werden wir deshalb kurz die Historie der empirischen Rechtsforschung nachzeichnen, um vor diesem Hintergrund aktuelle Probleme der quantitativen Rechtsforschung sowie ihr Potenzial für die Entwicklung von Justizsoftware zu beleuchten.

1. Die Entwicklung der quantitativen Rechtsforschung von ihren Anfängen bis zur Gegenwart

Die empirische Rechtsforschung gibt es in Deutschland erst seit gut 100 Jahren. Externe Einflussfaktoren auf das Recht kamen erst mit dem Aufkommen der Rechtstatsachenforschung durch Eugen Ehrlich in den deutschen Diskurs. Ehrlich ging es darum, dass

„der hergebrachten dogmatischen Rechtsauffassung die dynamische entgegengesetzt werde […], für die es nicht bloß darauf ankommt, was ein Rechtssatz bedeutet, sondern wie er lebt, wie er wirkt, wie er sich in verschiedenen Verhältnissen bricht, wie sie ihm ausweichen und wie er sie verfolgt.“

Die dogmatische Rechtsauslegung sollte durch Methoden der Sozialwissenschaften (Emile Durkheim) und damit auch der Empirie ergänzt werden. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es in Deutschland zu einer stärkeren Prägung durch die aufkommende Disziplin der Rechtssoziologie. Das Ergebnis war eine Rechtstatsachenforschung, die sich mit den Themen der Gesetzesfolgenabschätzung bis hin zur Rechtsakzeptanz beschäftigte und hierbei auch stets auf die Form der Datenanalyse zurückgriff. Im Mittelpunkt standen hier immer wieder Analysen der Judikative. Man untersuchte die Gleichbehandlung in der Urteilsfindung, die Frage einer Klassenjustiz oder selbst soziale Merkmale, Einstellungen und Verhaltensweisen von Richter:innen. Die in diesem Zuge vorgenommenen Analysen der Gerichte und Richter:innen basierten hier zumeist aber noch auf der manuellen Auswertung von Interviews und Fragebögen. Erst langsam durch den Einzug der ersten computergestützten Analysen in den 1960er Jahren veränderte sich der Methodenkanon. Die Rechtssoziologie wurde nun weiter ergänzt durch die aufkommenden computational legal studies und die Sparte Recht & KI. Das Problem war jedoch auch hier, dass mit der Kategorisierung von Gerichtsentscheidungen ein enormer menschlicher Aufwand nötig war. Flächendeckende Auswertungen der Judikative waren auch hier nicht möglich. Steigerungen der Rechen- sowie Speicherkapazitäten und der algorithmischen Effzienz vom Beginn des 21. Jahrhunderts bis heute lassen es nun aber zu, dass Textteile automatisch extrahiert und über natural language processing verarbeitet werden. Damit können die zuvor bestehenden Beschränkungen nun aufgebrochen werden. Dies spiegelt sich auch in entsprechenden Entwicklungen in Wissenschaft und Forschung wider, wie sie oben geschildet wurden.

Doch in Deutschland bestehen noch verschiedene Hürden. So ist allen voran die Datengrundlage in Form von Justizdaten als Grundlage der empirischen Rechtsforschung nicht existent. Nach dem Datenqualitätsmodell von Wang & Strong kann dies anhand von vier Oberkategorien gemessen werden. Erstens die Zugänglichkeit der Daten, zweitens die Darstellung der Daten (Auslegbarkeit, Verständlichkeit, einheitliche Darstellung, Übersichtlichkeit), drittens dem Zweck, zu dem die Daten verarbeitet werden (insbes. Relevanz für den konkreten Zweck, Aktualität, Vollständigkeit, hinreichende Anzahl für den Verarbeitungszweck) und viertens Aussagekraft der individuell verfügbaren Daten aus sich heraus (Glaubhaftigkeit, Exaktheit, Objektivität, Reputation der Quelle).

Fast alle diese Aspekte werden bisher in Deutschland jedoch nicht erfüllt. So scheitert es bereits an der Verfügbarkeit der Justizdaten. Dabei werden beispielsweise weniger als 1% der Gerichtsentscheidungen veröffentlicht. Selbst im Hinblick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung liegt die Veröffentlichungsquote seit 1949 bei 40%. Darüber hinaus werden die Namen der entscheidenden Richter:innen meist geschwärzt. Dazu kommt, dass Geschäftsverteilungspläne der Justiz nur im Promillebereich veröffentlicht werden. Vielmehr müssen sie meist individuell im Gericht eingesehen werden. Auch weitere entscheidungsrelevante Schriftstücke wie die Schriftsätze der Parteien oder gerichtliche Hinweise stehen nicht zur Verfügung. Mangels Verfügbarkeit fehlt es auch an einem gemeinsamen Datenstandard, der die Fragen der jeweiligen Darstellung der einzelnen Daten einheitlich regeln würde. Dies erschwert selbst bei den geringen Beständen an verfügbaren Daten die Auswertbarkeit erheblich. Und wiederum deshalb lassen sich auch keine zuverlässigen Aussagen darüber treffen, ob die jeweilige Datengrundlage kontextabhängig für den jeweiligen Analysezweck geeignet ist. Lediglich im Hinblick auf die vierte Kategorie der Aussagekraft der individuell verfügbaren Daten lassen sich hinsichtlich einzelner Datentypen wie Gerichtsentscheidungen positivere Zeugnisse ausstellen. Denn diese stammen überwiegend von den Gerichten oder Organen der Rechtspflege selbst, denen im Rahmen eines demokratischen Rechtsstaates als Datenerzeuger ein erhebliches Vertrauen entgegengebracht wird. Abstriche sind jedoch auch hier zumachen, da immer noch keine allgemeinen Qualitätsstandards etwa für gerichtliche Entscheidungen etabliert sind.

Ein weiteres Problem liegt auch in der juristischen Ausbildung selbst begründet. Das Lehren von Methoden der empirischen Forschung im Hinblick auf qualitative und quantitative Ansätze kommen nicht vor. Ausgenommen davon ist das nicht verpflichtende Nebengebiet der Rechtssoziologie. Wie aber soll ein Interesse an empirischen Forschungsfragen entstehen, wenn im Zuge der Ausbildung keine Berührungspunkte bestehen? Aus diesem Grunde fehlt auch in der breiten Justizlandschaft ein Verständnis für die Vorzüge der empirischen Rechtsforschung und die Notwendigkeit der breiten Veröffentlichung von Justizdaten in einem maschinenlesbaren Format.

2. Potenziale für die Justiz

Dabei könnte ein anderer Umgang mit der empirischen Rechtsforschung in Deutschland für die Digitalisierung der Justiz einen großen Gewinn darstellen. Auch hier können wir nicht auf all diese Vorteile eingehen. Wir beschränken uns auf drei Bereiche, die wir im Folgenden näher beleuchten.

a) Entscheidungen im Kontext betrachten

So könnten Richter:innen erstmals einen erleichterten Zugang zu einer kontextuellen Analyse der Entscheidungen ihrer Kolleg:innen erhalten. Dies bietet Vorteile für die Quantität, aber auch die Qualität der Arbeit.

Die Quantität bezieht sich dabei auf die Geschwindigkeit der Arbeit. Vergleichbare Fälle ließen sich über entsprechende Suchmaschinen in Sekundenschnelle ermitteln. Dabei wäre stets sichtbar, wo sich Fälle ähneln und wo sie sich unterscheiden. Zugleich könnte gefiltert werden nach Ausgang der Verfahren und den am Prozess Beteiligten. Damit müsste das Rad bei vergleichbaren Sachverhalten nicht in jedem Verfahren neu erfunden werden. Mittelfristig ist auch die Erstellung prognostischer Vorschläge zu Teilaspekten der Entscheidung denkbar. Dies bedeutet für Richter:innen zumindest im Rahmen der Abfassung des Urteils eine nicht unerhebliche Arbeitsentlastung. Streitwert, Argumentation oder Tenor können potenziell von Kolleg:innen übernommen werden. Doch auch für die rezipierende Öffentlichkeit kann sich so ein Bild einer Rechtsprechung ergeben, die vergleichbare Sachverhalte vergleichbar entscheidet. Die in der allgemeinen Öffentlichkeit verbreitete Redewendung „drei Richter, fünf Meinungen“ könnte so erheblich an Relevanz verlieren. Das jedenfalls gegenwärtig noch im Vergleich zu anderen staatlichen Institutionen hohe Vertrauen in die Justiz könnte gehalten oder ausgebaut werden.

An dieser Stelle bestehen aber natürlich auch Risiken. Die Übernahme einer vergleichbaren Argumentation kann möglicherweise dazu verleiten, sich (unbewusst) keine vertieften eigenen Gedanken zu machen. Auf diesem Wege kann es zu einer (unbewussten) Homogenisierung der Rechtsprechung kommen, die Ungleiches gleich behandelt und Machtstrukturen zementiert. Im Rahmen der Entwicklung einer entsprechenden Software könnte eine solche Gefahr beispielsweise über regelmäßig erscheinende Hinweisfelder oder Supervisionen ausgeglichen werden, die die Nutzer:innen auf die Möglichkeit entsprechender Ankereffekte hinweist. Derartiges kann in einem demokratischen Rechtsstaat, der auf dem Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit basiert, aber auch übertrieben sein. Arbeitsschritte lassen sich nicht bis ins kleinste Detail nachverfolgen. Demokratie lebt von Vertrauen – auch gegenüber den Richter:innen, die eine entsprechende Software gewinnbringend einsetzen.

Die Qualität bezieht sich auf die inhaltliche Tiefe der Entscheidungsbegründung. Lassen sich vergleichbare Fälle schneller auffinden, ist es auch leichter, sich im Kontext mit der Argumentation von Kolleg:innen abzugleichen. Die eigene Sichtweise kann so stetig reflektiert und gegebenenfalls angepasst werden. Im Ergebnis ist nicht mehr nur die Sichtweise der jeweiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung (horizontale Rechtsprechung), sondern auch die verbreitete Sichtweise unterinstanzlicher Gerichte (vertikale Rechtsprechung) prägend. Auch hier können sich jedoch negative Auswirkungen ergeben. So bedeutet ein erhöhtes Maß an Informationen auch einen erhöhten Aufwand in der Fallbearbeitung. Ist zudem sichtbar, dass eine breite Mehrheit in eine Richtung entscheidet, kann es schwerer sein, sich entgegen
dieser Mehrheit rechtlich zu positionieren.

b) Entscheidungserhebliche Tendenzen erkennen

Es wäre auch möglich, über die Zeit die Art der Argumente, die verwendeten Quellen, Ausgänge in Abhängigkeiten zu Prozessbeteiligten oder auch Schreibstile zu erfassen. Damit könnten interne Profile erstellt werden, auf die jeweils nur die einzelnen Richter:innen Zugriff hätten. Diese können Grundlage sein für ein internes Monitoring der Richter:innen im Hinblick auf sich selbst. So können Anreize geschaffen werden, über möglicherweise bestehende entscheidungserhebliche Faktoren in einzelnen Bereichen zu reflektieren. Eine durch Software erstellte Prognose zu einem Teil der Entscheidung kann dann auch mit der eigenen finalen Entscheidung abgeglichen werden, um etwaige Weiterentwicklungen des eigenen juristischen Denkens zu erkennen. Gegebenenfalls offenbaren sich so auch Entscheidungstendenzen, die erst vor dem Hintergrund der makroskopischen Betrachtung sichtbar und problematisierbar werden. Neben die kollegiale Supervision tritt so eine individuelle. Einer etwaigen Tendenz, dass Entscheidungen nur noch durch zurückgezogene Einzelrichter:innen getroffen werden, die sich über die Zeit vom kollegialen Austausch distanzieren, kann so entgegengewirkt werden.

c) Qualität der Justiz messen

Die Rechtswissenschaft hat sich lange davor verweigert, Qualitätsmessungskriterien einzuführen. Auch heute tut sie sich damit noch schwer. Das fängt bei der Bewertung juristischer Examina an. Man bewertet “eine den durchschnittlichen Anforderungen entsprechende Leistung”, ohne zu wissen, was den Durchschnitt ausmacht. Dies setzt sich fort in der Berufswelt mit der Anwaltschaft, die abseits weniger Beispiele keine gemeinsamen, sondern individuelle Standards in Wissenssilos entwickelt. Und auch die Justiz ist zurückhaltend mit der Entwicklung von Qualitätskriterien. Zwar finden im Zuge der Bewertung von neuen Justizanwärter:innen im Rahmen der dreijährigen Erprobung oder im Zuge einer Abordnung regelmäßige Leistungskontrollen statt. Auch wird versucht, die Arbeitsbelastung im Zuge ausgefeilter Geschäftsverteilungspläne gleich zu verteilen. Auf europäischer Ebene gibt es sogar eine Kommission für die Messung der Qualität und Effzienz der europäischen Justiz. Doch was eine gute Gerichtsentscheidung im Einzelfall ausmacht und ob dies in der Breite immer erfüllt wird, wird nicht geprüft. Dabei könnten wir nun auf granularer Ebene verschiedene Faktoren bemühen. Nur einzelne Beispiele: Ist die Entscheidung für Laien verständlich? Hat ein Satz also weniger als 15 Wörter, fehlt es an Passivformulierungen, Substantivierungen, lateinischen Fachausdrücken und gibt es Erläuterungen für juristische Fachsprache? Wie schnell wird entschieden? Entscheidet die Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen gleichartig? Wird die gesetzgeberische Intention mit den Entscheidungen umgesetzt? Haben unterrepräsentierte Gruppen Zugang zur Justiz?

Diese Faktoren müssen dabei nicht auf die individuellen Richter:innen heruntergebrochen werden. Sie können auch schlicht als Gesamtbild präsentiert werden, um einen Eindruck von der Justiz in der Breite zu erlangen. Auch wäre es denkbar, individuelle Profile lediglich einzelnen Richter:innen zur Verfügung zu stellen, um eine Selbstprüfung zu ermöglichen.

III. Von der Vision zur Realität: Justizdaten freigeben

Wie wir anhand ausländischer Forschungsbeispiele und dem gegenwärtigen Stand der empirischen Rechtsforschung in Deutschland erkennen können, sind Justizdaten in einer hinreichenden Qualität nach dem Modell von Wang & Strong, insbesondere Gerichtsentscheidungen, von immenser Bedeutung für die quantitative Rechtsforschung. Durch die Analyse von Gerichtsentscheidungen können Forschende ein tieferes Verständnis dafür erlangen, wie das Recht in der Praxis angewendet wird, welche Trends in der Rechtsprechung zu erkennen sind und wie sich Entscheidungen auf die Gesellschaft auswirken.

Die konsequente Analyse von Justizdaten kann aber auch in der Justiz sowie gesamtgesellschaftlich perspektivisch verschiedene Auswirkungen haben. Zum einen kann sie dazu beitragen, die Transparenz und Objektivität der Rechtsprechung zu erhöhen, indem sie Einblicke in die Praxis und die Entscheidungsfindung der Gerichte liefert. So können beispielsweise Unterschiede in der Anwendung von Gesetzen zwischen verschiedenen Gerichtsbezirken aufgedeckt werden. Zum anderen kann eine solche Datenanalyse dazu beitragen, Effizienz und Effektivität in der Rechtsprechung zu verbessern. Eine aktuell omnipräsente Herausforderung, die Überbelastung der Gerichte und von Justizmitarbeitenden, könnte durch Verwendung von Justizdaten und Datenanalysen reduziert werden. Durch die Identifikation von Mustern und Trends können Richtlinien und Best Practices entwickelt werden. Schnellere und kostengünstigere Abwicklungen von Verfahren wären das Resultat.

Letztlich sollte das Argument der Rechtssicherheit überzeugen. Durch gesammelte Durchschnittswerte von beispielsweise Schadensersatz- oder Streitwerten können Gerichte fundierte Entscheidungen treffen und einheitlichere Urteile fällen. Dies trägt dazu bei, die Vorhersehbarkeit und Konsistenz der Rechtsprechung zu erhöhen, was unmittelbare Auswirkungen auf das Vertrauen der Bevölkerung in das Rechtssystem hat.

Vor diesem Hintergrund wäre es verwunderlich, wenn sich nicht endlich ein breiter Wille in der
Juristerei etabliert, um eines zu erreichen: Die Freigabe aller juristischen Daten.

Ein Orkan der Gerichtsöffentlichkeit – Wie Organe der Rechtspflege die Gerichtsöffentlichkeit steigern

Der Zugang zu Gerichtsentscheidungen ist ein wichtiger Bestandteil unseres Rechtsstaats und der Transparenz der Justiz. Mit nur 1% Veröffentlichungsquote wird Deutschland dem jedoch nicht gerecht. Es wird daher Zeit unser aller Blick darauf zu richten, welche Maßnahmen von den Organen der Rechtspflege ergriffen werden können, um die Gerichtsöffentlichkeit zu steigern, welche Vorteile das Teilen von Gerichtsentscheidungen vor allem für Anwält:innen bringt und was die iur.crowd damit zu tun hat.

Von Gerichtsöffentlichkeit keine Spur

Status Quo

Ein demokratischer Rechtsstaat wie Deutschland sieht den Öffentlichkeitsgrundsatz (§ 169 GVG) als wichtigen Grundpfeiler der Durchführung von Gerichtsverfahren. Hierbei geht es zum einen um Kontrolle der Justiz, schließlich ergehen Gerichtsentscheidungen in Deutschland im Namen des Volkes. Zum anderen dient der Öffentlichkeitsgrundsatz aus Gründen der Transparenz dazu, dass Bürger Zugang zum Rechtssystem erlangen, es verstehen und ihm vertrauen können. Öffentlichkeit bedeutet also, dass Gerichtsentscheidungen für die Öffentlichkeit zugänglich und nachvollziehbar sein sollten.

Ob diesem Veröffentlichungsauftrag in der Gerichtspraxis im gebotenen Umfang nachgekommen wird? Die klare Antwort lautet: nein. Denn in Deutschland werden selbst im Jahr 2023 noch weniger als 1% der Gerichtsentscheidungen veröffentlicht.

Warum fehlt Gerichtsöffentlichkeit

Gründe, weshalb der Anteil der veröffentlichten Gerichtsentscheidungen in Deutschland immer noch derart gering ist, gibt es zahlreiche. Sie reichen von mangelhafter technologischer Infrastruktur und (vermeintlich) hoher Kosten, über mangelhafte Veröffentlichungskultur hin zu nicht vorhandenen technischen Fähigkeiten, um Entscheidungen in elektronischer Form zu veröffentlichen sowie Ressourcen- und Personalmangel. Wie so oft im Rahmen der Justizdigitalisierung bestehen außerdem Unsicherheiten und Unklarheiten bezüglich der Anforderungen an eine (anonymisierte oder pseudonymisierte) Veröffentlichung.

Die Historie

Der Blick in die Vergangenheit zeigt uns, dass Gerichtsentscheidungen ursprünglich nur mündlich überliefert wurden. Später dann auch schriftlich. Das führte dazu, dass nur eine begrenzte Auswahl an Entscheidungen veröffentlicht werden konnte. Erst als Technologien wie Datenbanken auf CD-ROM und später Online-Datenbanken aufkamen, wurde es möglich, die Anzahl der veröffentlichten Entscheidungen zu steigern. Diese dann jedoch aufgekommene, zu bewältigende Datenflut führte zur Annahme, dass nicht jede Gerichtsentscheidung von öffentlichem Interesse und damit veröffentlichungswürdig sei. Der Rechtsanspruch auf Zugang zu einer Entscheidungen setzt also „Veröffentlichungswürdigkeit“ voraus, die von den Gerichten jeweils zu beurteilen ist.

Das Anonymisierungsproblem

Doch selbst wenn mehr Gerichtsentscheidungen unter die Kategorie „veröffentlichungswürdig“ fielen, stünde man wohl vor dem bislang vermeintlich ungelöste Anonymisierungsaufwand. Nach der gegenwärtigen Rechtslage der DSGVO müssen Gerichtsentscheidungen vor Veröffentlichung nämlich anonymisiert bzw. pseudonymisiert werden. Das betrifft die Schwärzung von zu schützenden personenbezogenen Daten sowie Geschäfts- oder Bankgeheimnisse. Die Schwärzung solcher Daten mit Personenbezug zu automatisieren, ist eine nicht ganz simple Angelegenheit. Denn die Frage, ob ein Datum Personenbezug aufweist oder ob es sich um ein Geschäftsgeheimnis handelt, ist kontextabhängig. Das stellt uns heute noch vor die Aufgabe, Gerichtsentscheidungen überwiegend manuell zu anonymisieren. Mit einem Aufwand von ca. 30-60 Minuten pro Entscheidung.

An dieser Stelle kommt der technische Fortschritt mit ins Spiel. Durch eine zuverlässige Anonymisierung, insbesondere mittels des Einsatzes Künstlicher Intelligenz, könnten Entscheidungen unmittelbar aus der E-Akte zur Veröffentlichung bereitgestellt werden, ohne dass es eines zusätzlichen Aufwands des Gerichts bedarf. Eine entsprechende Lösung, geteilte Gerichtsentscheidungen zu anonymisieren, hat die iur.crowd für die Anwaltschaft entwickelt.

Die Spitze des Eisbergs

In der Realität werden also die allermeisten gerichtlichen Entscheidungen – besonders die der Instanzgerichte – nicht veröffentlicht, geschweige denn in einem maschinenlesbaren Format. Die Veröffentlichung von derart wenigen Gerichtsentscheidungen erschwert es, systematische Auswertungen dieser Entscheidungen durchzuführen. Konkret bedeutet das, dass Antworten auf Fragen nach Schadensersatz- oder Streitwerten sowie Gefällen in der Strafzumessung und häufig vorkommenden Argumentationen im Dunkeln bleiben. Sowohl für die Fachöffentlichkeit als auch für den Rechtslaien ist es unmöglich, die Rechtsprechung in Deutschland vollumfänglich zu betrachten und zu analysieren. Einsehbar ist also nur eins: die Spitze des Eisbergs.

Eine Lösung muss her

Legal Analytics – ein aufkommender europäischer Trend

Legal Analytics, d.h. die statistische Auswertung von Gerichtsentscheidungen (siehe hierzu auch FAQ "Was sind Legal Analytics"), bieten nach eigenen Umfragen für 65 % der Anwält:innen einen ansehnlichen Mehrwert. In Ländern wie Frankreich und Spanien ist die Arbeit mit Legal Analytics bereits erfreuliche Realität.

Legal Analytics kommen jedoch nicht ohne Datensätze aus. Der aufkommende europäische Trend, dass Gerichte immer mehr Entscheidungen veröffentlichen, ist ein Schritt in die richtige Richtung, was Länder wie Belgien oder Rumänien beweisen. Doch wo bleibt Deutschland in puncto Digitalisierung der Rechtsbranche? Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung heißt es hierzu zwar, dass Gerichtsentscheidungen grundsätzlich in anonymisierter Form in einer Datenbank öffentlich und maschinenlesbar verfügbar sein sollen. Von einer solchen Datenbank fehlt bislang jedoch jede Spur.

Anonymisierungsaufwand – vom Menschen zur Software

Der vorgetragene, hohe Anonymisierungsaufwand für Gerichte, der aus fehlendem technischem Fortschritt folgt, kann jedoch nicht mehr lange die Ausrede sein. Schon heute existieren zahlreiche Software-Lösungen, die entweder bei der notwendigen Anonymisierung unterstützen oder Daten bereits im Rahmen der Urteilsabfassung schwärzen.

Gerichtsöffentlichkeit – was hindert uns?

Es existieren also Tools, die zu einer gesteigerten Gerichtsöffentlichkeit beitragen können. Warum sind wir mit dieser Erkenntnis jedoch noch nicht am Ziel angelangt? Ganz einfach – Selbst wenn man sich zu mehr Veröffentlichung verpflichtet, ist die Veröffentlichung ein langwieriger Prozess. Ein Blick in unser Nachbarstaat Frankreich zeigt, dass eine in 2016 beschlossene stufenweise Urteilsöffentlichkeit bis 2023 nicht vollumfänglich umgesetzt werden konnte.
Nähmen wir uns außerdem von nun an vor, künftige Entscheidungen mit Software und Co. zu veröffentlichen, blieben dennoch die Entscheidungsbestände der Vergangenheit im Dunkeln. Und das teilweise aufgrund der begrenzten Aufbewahrungsfristen sogar für immer.

Rechtsanwaltschaft kann helfen

Nicht nur Gerichte sind in der Lage, für mehr Gerichtsöffentlichkeit zu sorgen. Letztlich verfügen auch die jeweiligen Parteien und deren prozessvertretenden Anwält:innen über die erstrittenen Gerichtsentscheidungen. Anwält:innen könnten diese Entscheidungen poolen und eine Entscheidungsdatenbank damit speisen. In einem gemeinsamen Kraftakt wäre es bei einer Beteiligung vieler Anwält:innen als Organ der Rechtspflege möglich, die Gerichtsöffentlichkeit auf nahezu 100% zu erhöhen.

Warum Anwält:innen Gerichtsentscheidungen teilen sollten

Wie so oft, wenn sich eine Seite nur schwerlich bewegen lässt, müssen an anderer Stelle Kräfte mobilisiert werden. Auf die Frage, warum Rechtsanwält:innen ihre Gerichtsentscheidungen teilen sollten, existiert eine Antwort mit vielen Facetten. Bedeutend hierbei ist, dass Rechtsanwält:innen die Vielschichtigkeit und Mehrdimensionalität der Gründe erkennen, um zu verstehen, welche Stärke das Kollektiv Anwaltschaft hierdurch entwickeln kann. Vergleichbar mit einem Orkan, der durch die Rechtsbranche fegt.

Das Grundgesetz lässt es zu

Den Grundstein dafür, dass Anwält:innen ihre Gerichtsentscheidungen teilen dürfen, legt unser Grundgesetz. Eine Veröffentlichung ist von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Solange die Entscheidungen dabei geschwärzt sind, sieht der BGH hierin keine Bedenken. Hiervon machen in begrenztem Umfang bereits einzelne Kanzleien oder kleine Verbunde auf ihren Websites Gebrauch.

Eine Frage des Berufsethos

Ein Blick in die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) gibt Aufschluss über Zulassungsvoraussetzungen, Pflichten und mögliche Sanktionen bei Verletzung dieser Pflichten. Rechtsanwält:innen sind als unabhängige Organe der Rechtspflege (§ 1 BRAO) wichtiger Bestandteil der Justiz, deren Pflicht es ist, gerichtliche Fehlentscheidungen zu verhindern. Das Wissen um aktuelle Rechtsprechung liegt demnach im Interesse der Anwaltschaft. Denn nicht zuletzt der Mandatsvertrag verpflichtet Anwält:innen zur gewissenhaften Durchführung des Mandates und demnach zur rechtlichen Prüfung. Anwält:innen sind also verpflichtet, zu wissen, oder sich das Wissen im Zweifel durch Recherche anzueignen. Die Fähigkeit, als Prozessbevollmächtigte dazu beizutragen, dass Mandant:innen ihre Ansprüche vor Gericht geltend machen können, wird also immer auch von der Pflicht begleitet, dies auf Grundlage der aktuellen Rechtsprechung zu tun. Doch wie soll gewissenhaft geprüft oder recherchiert werden, wenn aktuelle Rechtsprechung mangels existierender Gerichtsöffentlichkeit nicht adäquat zur Kenntnis genommen werden kann?

Indem Anwält:innen ihre Gerichtsentscheidungen teilen, helfen sie schlussendlich bei der Wahrung des Öffentlichkeitsgrundsatzes. Denn nicht nur die Prozessführung erfolgt für die Öffentlichkeit nachvollziehbar, soweit es der Schutz der vertretenen Personen zulässt, sondern durch das Teilen von Gerichtsentscheidungen wird auch der Ausgang des Verfahrens, der oftmals für die Öffentlichkeit von viel größerer Bedeutung ist, transparenter.

Aus der BRAO ergibt sich demnach, dass Rechtsanwält:innen bereits berufsethisch dazu verpflichtet sind, von ihnen vor Gericht erstrittene Entscheidungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Verbesserung und Erleichterung

„Wie sehen die Erfolgsaussichten vor Gericht aus?“ – Mit so einer oder ähnlichen Fragen werden Anwält:innen tagtäglich konfrontiert. Beantworten möchte sie niemand. Warum? Weil es hierauf selten fundierte und zuverlässige Antworten gibt. Und wenn doch, dann nur aufgrund eigener sorgfältiger, manueller Aufbereitung der einschlägigen Rechtsprechung. Die Zeit für eine derartige Analyse müssen Anwält:innen jedoch auch aufbringen können, was eher unrealistisch ist, da bereits die Recherchearbeit im Vorhinein ein enormer Zeitfresser ist. Recherche, Erfolgsstatistiken und -analyse kosten nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Dieses Problem ließe sich jedoch mit der Anwendung von Legal Analytics beheben, durch welche die andauernde Recherche um ein Vielfaches reduziert werden kann. Erkenntnisse aus diesen Analysen verbessern die eigene Dienstleistungen der Kanzleien (siehe hierzu auch FAQ "Warum sollte ich Legal Analytics nutzen?").

Konkret bedeutet das: Durch schnellere Informationen werden Dienstleistungen beschleunigt, durch neue Informationen über vergleichbare Fälle in der Vergangenheit können weitere Dienstleistungen angeboten werden. Auch kanzleiintern können die neu erlangten Informationen über beispielsweise erfolgreich abgeschlossene Fälle in einem gewissen Bereich zum Eigenmarketing beitragen, um gezielte Marketingstrategien zu entwickelt (siehe hierzu auch FAQ "Warum sollte ich Gerichtsentscheidungen teilen?").

Rechtsanwält:innen können also durch die Veröffentlichung ihrer Gerichtsentscheidungen einerseits ihre fachliche Kompetenz unter Beweis stellen und andererseits ihre Reputation stärken.

Do ut des

Anknüpfend an die eigenen Benefits, die Anwält:innen durch die Anwendung von Legal Analytics für ihre eigenen Dienste generieren können, können darüber hinaus auch Benefits für das Kollektiv Rechtsanwaltschaft geschaffen werden. Das breite Wissen über aktuelle Rechtsprechung, was sich Anwält:innen durch Legal Analytics in kurzester Zeit aneignen können, ist es definitiv wert, es zu veröffentlichen.

"Mit welchen Argumenten waren andere Kolleg:innen vor welchen Gerichten erfolgreich? Welchem Argumentationsstrang wurde in der Vergangenheit nicht gefolgt und gibt es Argumente, mit denen ich den Erfolg des Verfahrens mit großer Wahrscheinlichkeit herbeiführen kann?" Solche und ähnliche Frage könnte sich das Kollektiv Anwaltschaft untereinander bereits beantworten, denn genügend Daten wären grundsätzlich vorhanden. Sie müssen nur sichtbar sein und ausgewertet werden.

Andere Anwält:innen profitieren von geteilten Gerichtsurteilen, indem sie sich über die jüngsten Entwicklungen in bestimmten Rechtsgebieten informieren und von den Argumenten und Strategien lernen können, die von anderen Anwält:innen zuvor verwendet wurden. Getreu dem Motto „Teilst du deinen Volltextzugriff mit mir, teile ich meinen mit dir". Daraus ergeben sich zwei Seiten der Medaille: Anwält:innen geben, um selbst etwas zu erhalten. Letztlich hat ein wenig Teamspirit noch niemandem geschadet.

Gemeinsam mit der iur.crowd zu mehr Gerichtsöffentlichkeit

Mit der Plattform erstellt das iur.crowd Team eine technische Infrastruktur, um Gerichtsentscheidungen rechtssicher teilen zu können. Auf diese Weise ermöglichen sie, dass die Informationen aus den Gerichtsentscheidungen empirischen ausgewertet werden können. 430 Kanzleien nutzen die Plattform und die Legal Analytics bereits.

Und so funktioniert es: Anwält:innen können ganz einfach per drag and drop Gerichtsentscheidungen hochladen, die im nächsten Schritt (teil-)automatisiert geschwärzt werden. Auch hier sind Anwält:innen mit der iur.crowd auf der sicheren Seite. Denn nach § 43e BRAO sind Anwält:innen explizit dazu ermächtigt, Gerichtsentscheidungen an die iur.crowd zu übermitteln. Die hierfür notwendige Verschwiegenheitsvereinbarung wird auf der Website bereitgestellt.

Nach dem Upload haben Anwält:innen die Wahl: Die Entscheidung der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen oder sie unveröffentlicht in ihren Bereichen belassen. Auch eine unveröffentlichte, hochgeladene Gerichtsentscheidung kann als Grundlage für statistische Auswertungen zur Verfügung gestellt werden. In diesem Fall werden nur einzelne, nicht zu schwärzende Parameter (wie beispielsweise eine Schadensersatzsumme oder ein Streitwert) extrahiert. Sollten Anwält:innen beim Digitalisierungsprozess Unterstützung benötigen, hält die iur.crowd Hilfe über des Kontaktformular bereit.

Anwält:innen, die bereitwillig Gerichtsentscheidungen teilen, erhalten im Gegenzug vergünstigten Zugriff auf die Legal Analytics der iur.crowd. Die Ergebnis der Analyse verhilft ihnen einerseits, schneller zu arbeiten und sich auf die Spezifika ihrer Fälle zu konzentrieren. Andererseits erhalten sie die kostenlose Möglichkeit, die eigenen Gerichtsentscheidungen auszuwerten, um beispielsweise die eigene Performanz vor Gericht zu überprüfen. Solche Ergebnisse spielen eine wesentliche Rolle im eigenen Kanzleimarketing und können die Außendarstellung ihrer Kanzlei positiv beeinflussen.

Im Frühjahr 2023 wird die iur.crowd stufenweise die Beta-Versionen ihrer Legal Analytics launchen. Anwält:innen, die sich für die Legal Analytics der iur.crowd interessieren und an der kostenlosen Beta-Nutzung teilnehmen wollen, können sich hier zum Test der Legal Analytics der iur.crowd anmelden.

Fazit

Die deutsche Rechtsprechung ist zu 99% intransparent – Gerichtsöffentlichkeit ungenügend. Gründe hierfür sind mangelhafte technologische Infrastruktur, hohe Kosten, mangelhafte Veröffentlichungskultur, fehlende Fähigkeiten zur Veröffentlichung von Entscheidungen in elektronischer Form, Ressourcen- und Personalmangel sowie Unsicherheiten bezüglich der Anforderungen an eine anonyme oder pseudonymisierte Veröffentlichung. Hinzu kommt der Aufwand zur Anonymisierung von personenbezogenen Daten und Geschäftsgeheimnissen, der meist manuell erledigt werden muss und viel zu lange dauert. Die Rechtsanwaltschaft besitzt ungeahnte Kräfte, die diesem misslichen Zustand entgegenwirken kann. Technologischer Fortschritt hilft ihnen dabei, Herausforderungen zu überwinden und die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen zu erleichtern. Gemeinsam mit der iur.crowd können Anwält:innen die Gerichtsöffentlichkeit auf nahezu 100% heben und gleichzeitig Vorteile daraus ziehen.