08/09/2023

More is more and less is bore?

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Zeitersparnis durch Legal Analytics

Oft heißt es: Zu viele Informationen können Intransparenz bringen und zu Verwirrung führen und die Organisation der vielen Daten wäre den Nutzen nicht wert. Gezeichnet wird hier das Bild eines dichten Datendschungels, so dass kein Durchkommen und damit kein Durchblick mehr möglich ist. Juristische Datenauswertungen bergen aber enormes Potential – vor allem in Bezug auf Zeitersparnis. Welche Gewinne erzielt werden können, wo die Vorteile liegen und was es dafür bedarf, soll in diesem Artikel erläutert werden.

1. Besserer Überblick durch Informationssysteme

Werden einem Unternehmen oder der Justiz viele juristische Daten zur Verfügung gestellt, heißt das selbstverständlich zunächst einmal Mehrarbeit: Die Daten müssen in maschinenlesbarer Form umgewandelt werden und passende Programme für die Aufbereitung und Verarbeitung müssen gefunden werden. Sind diese Schritte getan, geht es an die eigentliche Arbeit, die technischen Systeme müssen gewinnbringend auf die Rohdaten angewendet werden. Hierbei existiert enormes Potential für die Rechtsbranche, da viele Schritte langfristig vereinfacht werden können, womit eine enorme Effizienzsteigerung einhergeht – alles durch Legal Analytics.

2. Was sind Legal Analytics?

Legal Analytics sind datengetriebene Analysewerkzeuge und Technologien, die speziell für die Anwendung in der Rechtsbranche entwickelt wurden. Sie nutzen fortgeschrittene Datenanalyse- und maschinelle Lernverfahren, um rechtliche Informationen, Fallhistorien, Gerichtsurteile, Gesetze und andere juristische Dokumente zu analysieren und wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Im Wesentlichen ermöglichen Legal Analytics eine tiefere und präzisere Untersuchung von juristischen Informationen, um Rechtsanwält:innen, Jurist:innen und Rechtsabteilungen dabei zu helfen, bessere Entscheidungen zu treffen und ihre Arbeit effizienter zu gestalten.

3. Beispiele für Anwendungen von Legal Analytics

Sinnvoll ist es hier beispielsweise die Automatisierung von Routineaufgaben oder Datenanalyse und -recherche, Dokumentenverwaltung, Terminverfolgung oder die Fristenüberwachung bis hin zur Vorkonfiguration von Rechtsdokumenten.

a) Anwaltschaft

Für die Anwaltschaft bewähren sich bereits simple Systeme, wie interne digitale Strukturierungen der Akten, so dass geordnet nach Prozessbeteiligten und Mandant:innen gesucht werden und Argumente extrahiert werden können. Dadurch sind diese im Prozess schnell digital abrufbar und ersparen langwieriges durchsuchen haptischer Akten. Obwohl es im Vorfeld notwendig ist, die spezifischen Informationen zu markieren und zu ordnen, ist das ein geringer Aufwand im Vergleich zu der langfristigen Beschleunigung im Umgang mit den Akten. Legal Analytics gehen aber noch weiter: ist einmal ein etablierter und ausreichender Fundus strukturierter juristischer Daten erstellt, lässt sich dieser sehr effektiv zur Unterstützung von Anwält:innen einsetzen. Hier existieren Systeme, die durch trainierte KI bereits Vorschläge zur Beantwortung von Rechtsfragen erstellen können, welche im Anschluss nur noch von Anwält:innen überprüft werden müssen. Legal Analytics können somit bei der automatisierten Dokumentenprüfung und Vertragsgestaltung eingesetzt werden. Dies kann die Zeit reduzieren, die normalerweise für die manuelle Überprüfung von Verträgen und anderen Dokumenten benötigt wird.

Auch Informationen zu den einzelnen Richter:innen oder Spruchkörpern können die geführten Prozesse verbessern: Mit Kenntnis über Eigenarten und Häufigkeiten bestimmter Richtenden können gezieltere anwaltliche Strategien gewählt und durchgezogen werden. Strukturierte Informationen lassen sich mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz, bzw. mit maschinellen Lernverfahren somit handhabbar machen.

b) Justiz

Aber nicht nur die Anwaltschaft, auch die Justiz profitiert von Legal Analytics. Schriftsätze von bis zu 200 Seiten sind keine Seltenheit, und viele dieser Verfahren weisen ähnliche Merkmale auf und können in verschiedene Kategorien eingeteilt werden. Die Zuordnung der Verfahren zu diesen Kategorien erfordert jedoch erheblichen Zeitaufwand seitens der Richter:innen.

In der Praxis werden Konfigurationsprogramme wie „FRAUKE“ (am Amtsgericht Frankfurt am Main) und „OLGA“ (am OLG Stuttgart) an Gerichten bereits genutzt. Ähnliche Anwendungen existieren am LG Ingolstadt und am LG Kiel. Diese Systeme konfigurieren Textbausteine von Urteilen, so dass diese effizienter erstellt werden können und nur noch von Richter:innen überprüft und unterschrieben werden müssen. Entscheidungsvorschläge können dabei nur erstellt werden, weil im Vorfeld Urteile aus der Vergangenheit maschinell ausgewertet und analysiert wurden.

"OLGA" beispielsweise extrahiert aus den digitalen Akten lediglich die Informationen, die zur Zuordnung erforderlich sind und ist in der Lage, Tenor, Tatbestand, Anträge und andere relevante Informationen zu erkennen, einen Text zu durchsuchen und diese Informationen zu gewichten. Anschließend analysiert die Anwendung das erstinstanzliche Urteil, die Berufungsbegründung und die Berufungserwiderung, um sie nach zuvor festgelegten Parametern, wie beispielsweise Fahrzeug- und Motortyp, Kilometerstand oder Kaufpreis, zu durchsuchen. Basierend auf diesen Parametern ordnet "OLGA" den Sachverhalt den Kategorien zu, die die Rechtsprechung des OLG Stuttgart widerspiegeln. Auf Grundlage dieser Parameter können die Richter:innen gezielt nach ähnlichen Fällen suchen, alle relevanten Fälle anzeigen lassen und sie effizienter bearbeiten und terminieren. Zusätzlich kann "OLGA" auch dabei unterstützen, bereits vorhandene Musterbeschlüsse zu individualisieren, indem es die erkannten Parameter an den entsprechenden Stellen einfügt und den Beschluss an den spezifischen Fall und Kläger anpasst. So kann mit nur wenigen Klicks ein fertiges Beschlussdokument erstellt werden.

Dadurch dass Legal Analytics-Tools große Mengen von juristischen Dokumenten, Gerichtsentscheidungen, Gesetzestexten und anderen juristischen Quellen durchsuchen und analysieren können, ermöglichen sie Anwält:innen und Jurist:innen, schneller auf relevante Informationen zuzugreifen, ohne stundenlange manuelle Recherchen durchführen zu müssen.

4. Fazit

Zwar müssen auch die heutigen Möglichkeiten zumeist immer noch individuell von Jurist:innen überprüft werden, allerdings stellt es eine enorme Zeitersparnis dar, wenn Textbausteine bereits vorformuliert werden oder Datenanalysen wichtige Einblicke bringen können, die vorher mangels der Technik nicht möglich waren. Zudem muss das Rad nicht immer neu erfunden werden: Etablierte und für gut bewährte Systeme werden übertragen werden, so dass die grundlegende Arbeit der Datenaufbereitung und Programmierung nicht bei den einzelnen (kleinen) Kanzleien hängen bleiben wird. Genauso, wie bereits jetzt jede und jeder OpenAIs Chat-GPT3 für diverse Textgenerierung benutzen kann, werden sich auch andere Systeme durchsetzen und Vorteile in Bezug auf Effizienz und hoffentlich Qualität bieten.

Zusammenfassend kann also konstatiert werden, dass um aus dem Dickicht gewinnbringende Erkenntnisse zu erlangen, bedarf es technisches Know-How und funktionierende Legal Analytics, die systematisch die Daten aufbereiten. Dann werden Legal Analytics enorme Zeitersparnis innerhalb der juristischen Arbeit – sowohl in Kanzleien als auch innerhalb der Justiz hervorbringen. Dies ermöglicht es Anwält:innen, sich mehr auf strategischere und komplexere Aufgaben zu konzentrieren und entlastet die Justiz.

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